Assistenzsysteme im Einzelhandel: Den Druck von den Mitarbeitern nehmen
23. April 2018 | Interview, Retail Technology

Interview mit Andreas Starzmann, Director Digital Office von Wanzl

Technologien zur Datenerfassung im Laden gibt es mittlerweile unzählige. Die Herausforderung für den Handel liegt nun darin, diese miteinander zu verknüpfen. Mit den Daten, die so gesammelt werden, können Händler die richtigen Schlüsse ziehen, um künftige Schritte zu planen.

Wanzl präsentierte auf der EuroCIS ein Assistenzsystem für den Store, das helfen soll, Prozessabläufe zu optimieren. Herr Starzmann, worin sehen Sie den Mehrwert eines verknüpften Assistenzsystems?

Sie haben heute bei einem gut ausgestatteten Lebensmittel-Einzelhandel im Schnitt 13 unterschiedliche IT-Systeme. Das kann kein Mensch bedienen. Die wichtigen Dinge, wie Signale vom Pfandautomat, Tiefkühl- und Lichtausfall, müssen deshalb gezielt gesammelt und an die Mitarbeiter kommuniziert werden. Hierfür können wir das Assistenzsystem nutzen und die Informationen zusammenführen.

Andreas Starzmann &copy Wanzl Metallwarenfabrik GmbH

© Wanzl Metallwarenfabrik GmbH

Diese Signale sehen die Mitarbeiter dann auf einer Smartwatch?

Auf einer Smartwatch oder einem Tablet. Sie zeigen an, ob beispielsweise Einkaufswagen nachgefüllt werden müssen. Ich sehe außerdem, wenn ich in zehn Minuten eine Kasse öffnen sollte. Das System erkennt, wann eine Schlange entstehen kann, indem es die durchschnittliche Verweildauer je nach Tageszeit und Personenfluss und nach entnommenen Körben und Einkaufswagen misst. Die Recommendation-Engine schlägt dann vor, was die nächste wichtige Aufgabe ist.

Wie generieren Sie die Daten für diese Informationen?

RFID spielt dabei eine große Rolle. Die Tags, die an Einkaufswagen und -körben angebracht sind, helfen beim Inventory Management. Über RFID-Reader im Store kann der Einzelhändler sehen, wo und wie viele Wagen im Einsatz sind. Wir messen außerdem Verweilzeiten vom Betreten bis Verlassen des Geschäfts. Wenn jemand mit dem Wagen zu schnell durch die Kassenzone fährt, dann heißt das für uns, dass er nicht bezahlt haben kann. Wenn so etwas passiert, triggert das eine Überwachungskamera, die 20 Sekunden davor und 20 Sekunden danach aufnimmt. Das Security-Personal kann über eine Smartwatch benachrichtigt werden, um das Videomaterial zu sichten.

Das System warnt auch in anderen Bereichen.

Das stimmt. Unser IoT-Regal schlägt beispielsweise Alarm, wenn viel Ware entnommen wurde, um out of stock-Situationen zu vermeiden. Im Bereich Tiefkühlung koppeln wir Gerätealarme, in diesem Fall für die Temperatur. Das System warnt, wenn beispielsweise die Temperatur zu hoch ist. So können die Mitarbeiter, die eine Nachricht auf ihre Smartwatch oder ihr Tablet erhalten, schnell reagieren. Auf diese Weise wollen wir Entlastung schaffen und Druck vom Mitarbeiter nehmen.

Den gesamten Store zu vernetzen wäre für Einzelhändler sicherlich nützlich – aber doch auch viel zu kostspielig, oder?

Jeder Einzelhändler hätte gerne die kompletten Laufweganalysen, aber keiner möchte die Investition tätigen. Wenn eine Analyse fünf Euro pro Wagen kostet, ist das eine Rieseninvestition – gerade für große Händler. Sie müssen deshalb sehr gut überlegen, was sie machen und was sie mit den Daten anfangen. Deswegen empfehlen wir immer, hochfrequentierte Bereiche auszuwählen, wie beispielsweise die Frischetheke oder Kasse. Komplette Laufweganalysen werden also meist nur punktuell für einen kleinen Zeitraum gewünscht.

Können Sie ein Beispiel aus der Einzelhandelspraxis nennen?

Gern. Ein Kunde sagte uns beispielsweise, er habe immer unterschiedliche Umsätze trotz gleicher Kundenzahl. Nachdem wir Kundenfrequenz und Wagenbewegungen gemessen hatten, konnten wir nach ein paar Tagen anhand der gesammelten Daten sehen, dass die Nutzungsquote der Wagen nicht konstant war, obwohl die Anzahl der Kunden konstant war.

Das Problem war ganz simpel: Es gab keine überdachte Parkgarage für die Einkaufswagen. Bei Regen waren die Wagen so nass, dass die Kunden auf Körbe umstiegen. Der Korb aber hat nicht das Volumen eines Einkaufswagens. Der Umsatz ging also nach unten, weil das Warenvolumen geringer war. Wir mussten also nur die Wetterdaten über das Einkaufsverhalten legen und konnten die Zusammenhänge erkennen.

Der Mehrwert, den ich aus Daten generieren kann, sind Erkenntnisse, die ich auch für andere Filialen nutzen kann. Uns hilft das für unsere Beratungskompetenz auch hinsichtlich des Ladenbaus, wenn wir ein Konzept erstellen.

Wohin geht die Reise mit Ihrem Assistenzsystem?

Einzelne Anwendungsfälle mit irgendeiner Technologie, die in der Investition natürlich etwas kostet, abzudecken, wird in Zukunft nicht reichen. Dieses Kollaborationsthema, wie ich etwas im Retail installiere, so dass jeder etwas davon hat, ist essentiell. Irgendjemand muss das zusammenführen. Wir möchten am Ende eine Kompetenzmatrix von Mitarbeitern entwickeln, entsprechend ihrer Stärken, so dass alle effizient eingesetzt werden können.

Interview: Mareike Scholze
Erstveröffentlichung auf 
iXtenso.com – Magazin für den Einzelhandel

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