17. Juli 2018 | Expo & Event Marketing, Gastbeitrag

Hätten die Propheten der Digitalisierung recht behalten, gäbe es uns wohl heute alle nicht mehr. Zumindest nicht in der Form von Messen, Events, Kongressen und Einzelhandelsgeschäften. Wir stellen jedoch fest, es gibt uns nicht nur noch, die Branche der Live-Kommunikation bewegt sich seit Jahren auf stabilem Niveau und kann sogar immer noch deutlich zulegen.

Es hat schon fast etwas Komisches, wenn man bei genauer Betrachtung feststellt, dass gerade der Bereich Ladenbau (Storedesign) im Werben um die Aufmerksamkeit potentieller Käufer „dank“ der Digitalisierung einen gewaltigen Sprung gemacht hat. Innovationszyklen wurden verkürzt und Flagshipstores sprießen wie Pilze aus dem Boden. Selbst ehemals sehr singulär gesehene Messeauftritte und Events werden integraler Teil der strategischen Unternehmenskommunikation.

© FAMAB AWARD 2017

Die Trendforscher sagen, dass läge schon alleine darin begründet, dass jeder (Mega-)Trend eine gegenteilige Entwicklung auslöst. Wenn also einerseits „digital“ und „virtuell“ hypen, steigt damit das Bedürfnis nach “analog“. So eingängig diese Erklärung erscheinen mag, sie springt zu kurz. Denn die ihr zu Grunde liegende Hypothese ist, dass beide Entwicklungen nicht nur scharf abgrenzbar sind, sondern sich sogar diametral gegenüberstehen. Genau das ist aber nicht der Fall. Die Digitalisierung dringt mittlerweile in nahezu jeden analogen Bereich ein.

Und die digitale Welt beschenkt uns mit immensen Möglichkeiten. Räume werden digital erweitert. Shopping-Prozesse shiften „seamless“ zwischen analog und digital. Events werden zu Ereignissen, deren wesentliche Aufgabe die Generierung von Impact in den sozialen Medien ist. Smarte Messestände erkennen den Besucher und zeigen ihm customized content. Und es werden – wohl auch nach der DSGVO – Unmengen an Daten gesammelt, um Kunden zukünftig noch besser zu verstehen.

© FAMAB AWARD 2017

Jedoch: die Kunst ist und wird es bleiben, die Menge an Möglichkeiten zu kennen und auf das nutzenstiftende zu reduzieren. Nicht jede neue Technologie passt zur Aufgabe. Die Botschaft ist der Nukleus. Das wertvolle ist der Inhalt, nicht die Verpackung. Ein übervolles Gewürzregal verführt den unerfahrenen Koch nur allzu leicht zu Experimenten. Und, so schön ausprobieren und herumspielen und explorieren auch immer klingen mag, am Ende simmert leider allzu oft eine dünne, undefinierbare und furchtbar überwürzte Brühe im Topf. Der Profi hingegen wird von Anfang an auf gute Zutaten als Basis aller weiteren Schritte setzen. Er wird sie mit Respekt verarbeiten und die gute Substanz nur durch den vorsichtigen Einsatz weniger Zusätze zur Vollendung bringen.

Der Unterschied kann durchaus frappieren sein. Wer stand nicht schon vor einen LED-Wand biblischen Ausmaßes und hat versucht, die dort gezeigte Endlosschleife aus Produktbildern zu verstehen. Oder zumindest wach zu bleiben. Und wer wurde nicht schon mit großer Penetranz zum Tragen einer VR-Brille „gekobert“, bloß um dann in der hintersten Ecke des Messestands auf einem Schemel zu sitzen und eine 30-minütige Fahrt durch irgendwelche ungebauten Häuser über sich ergehen zu lassen.

Das Ausschöpfen der schieren Anzahl an Möglichkeiten alleine führt noch nicht zu guter Kommunikation. Leider ist eher das Gegenteil der Fall. Ausstellende Unternehmen benötigen gute Navigatoren. Die nicht nur auf dem aktuellen Stand der Technik agieren, sondern auch Kommunikation können, die Aufgabe verstanden haben und natürlich die Botschaften. Dann kann gemeinsam diskutiert werden, welche der vielen, vielen digitalen Möglichkeiten dem ganzen den letzten Schliff geben.

Die letzte Prise Salz … oder auch nur ein Körnchen.

© FAMAB

Der Autor: Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer FAMAB Kommunikationsverband e. V., www.famab.de

Tags: , , ,

Ähnliche Beiträge