7. August 2018 | Interview, Retail Technology, Young Professionals

Ein gelungener Berufsstart in der Retail Technology – Interview mit Daniel Kranz, 25, Executive Assistant für einen General Manager der IBM, Global Business Services Europe und Senior Consultant

Daniel Kranz, IBM © Messe Düsseldorf

1. Daniel, Du hast Dich direkt nach dem Abitur für den Studiengang International Business Administration an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin entschieden und warst in dieser Zeit Dualer Student in der Fachrichtung International Business Administration bei IBM. Wie kam es zu dieser Wahl?

Eine Affinität zum Handel ergab sich bei mir dadurch, dass ich bis zum Abitur schon rund vier Jahre im Einzelhandel gejobbt hatte. D.h., ich habe ganz klassisch als Kassierer und Regalbefüller in einem EDEKA Markt begonnen und durfte nachher den Getränkemarkt unter Aufsicht betreuen. Damals war ich teilweise bis 15 Uhr in der Schule, danach habe ich von 16 bis 24 Uhr im Markt gearbeitet. Dort durfte ich mit dem Chef auch schon prozessorientiert arbeiten. Das hat mir viel Spaß gemacht. Wir haben Daten analysiert, z.B. die Kundendichte zu unterschiedlichen Zeiten. Anhand dieser Daten entschieden wir, wie viele Leute wir einsetzen und wie viele Kassen wann besetzt sein müssen.

Nach dem Abitur war für mich klar, dass ich nicht nur studieren, sondern parallel arbeiten wollte, so dass für mich nur ein Duales Studium in Frage kam. Die Wahl fiel auf IBM, da IBM in Deutschland eine der ersten Firmen war, die das duale Konzept angeboten hatte und somit bereits über sehr viel Erfahrung verfügte. Die Kosten des Bachelor Studiums werden von der IBM vollständig übernommen und auch die Wohnung wird teilfinanziert. Auf drei Monate Arbeitspraxis folgen immer drei Monate Studium. Dabei bewirbt man sich in den Praxisphasen auf abwechslungsreiche Jobs an unterschiedlichen Standorten des Unternehmens.  Besonders positiv anzumerken ist, dass IBM die Teilnehmer nach dem Dualen Studium nicht zwingend an das Unternehmen bindet, jedoch auch keine Übernahmegarantie erteilt.

2. In Deiner Studienzeit warst Du in verschiedensten Praxiseinsätzen bei IBM tätig, vom Junior Strategy Consultant und Junior Customer Experience & Design Consultant über eine Vertriebsposition bis hin zum Junior Digital Strategy Consultant. Welche Position war hier für Dich die größte Herausforderung und welche Deine bevorzugte?

Die größte Herausforderung waren die ersten zwei, drei Wochen in der IBM, da man sofort ins kalte Wasser geworfen wird. Ich durfte mit anderen Studenten direkt in die Vorbereitung des CeBIT Auftritts der IBM eintauchen, ohne jegliche Vorbereitung oder Praxiserfahrung in der Wirtschaft zu besitzen, ohne zu wissen, wie man eine Präsentation kundengerecht erstellt oder wie man mit seinen gerade einmal 19 Jahren einen Kunden anruft und ihm erklären muss, warum er ausgerechnet den IBM Stand auf der CEBIT besuchen soll. Anfänglich überkommt einen da schon das Gefühl der Überforderung, aber da das Unternehmen und die jeweiligen Manager einen sehr gut unterstützen, wendet sich dies schnell ins Positive.

Ich war viel in Consulting- und Vertriebsbereichen tätig, d.h. hauptsächlich in direktem Kontakt mit Kunden. Ich habe mit ihnen an Themen der Customer Experience gefeilt oder deren App-Gestaltung optimiert. Eines meiner Projekte war z.B. die Entwicklung eines digitalen Beratungstisches für eine Bank. In diesen Praxiszeiten habe ich gelernt, die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen, eine wertvolle Erfahrung.

3. Du warst als Dualer Student an unterschiedlichen IBM Standorten von Düsseldorf über München, Frankfurt, Hamburg und Berlin bis nach New York City im Einsatz? Welche Unterschiede sind Dir besonders im Gedächtnis geblieben?

Im Studiengang International Business Administration ist ein Auslandsaufenthalt Pflicht. Ich durfte diesen im Hauptsitz der IBM in Armonk bei New York absolvieren. Dort habe ich dann statt im Vertrieb und mit Kunden, in der Inhouse-Prozessoptimierung und in der Datenanalyse gearbeitet.

Die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA waren kulturell, aber auch arbeitstechnisch erheblich, was bereits mit den einzelnen Boxen beginnt, in denen Mitarbeiter im Großraumbüro arbeiten. Es gibt eine viel höhere Feedback-Kultur, in der es als Fehler gesehen wird, wenn man alleine und zu intensiv an etwas arbeitet. Stattdessen holt man gleich mehrfach täglich das Feedback seines Chefs ein. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass Amerikaner sehr selten kritisieren. Mir persönlich ist es viel lieber, wenn man wie in Deutschland auf den Punkt kommt. So weiß auch jeder direkt woran man ist.

Daniel Kranz, IBM © Messe Düsseldorf

4. Ist diese Art des dualen Studiums nicht sehr kraftraubend und beansprucht auch die letzten Stunden der Freizeit?

Ganz so schlimm war es nicht. Dadurch, dass Uni und Praxis nie parallel stattfinden, sondern man immer drei Monate an der Uni ist und anschließend drei Monate im Unternehmen, kann man sich sehr gut auf die einzelnen Phasen konzentrieren. In meiner Uni nutzt man mehr Präsentationen und dafür weniger schriftliche Prüfungen – das lag mir sehr. Zudem es ist angenehm, dass man das Wochenende frei hat und nicht wie andere Studenten eines „normalen“ Studiums samstags und sonntags noch jobben oder für Klausuren lernen muss.

Ungefähr 100 junge Leute studieren im Bachelor bei IBM im gleichen Jahrgang in verschiedenen Fachrichtungen. Indem die IBM einen bestimmten Betrag für die Unterkunft beisteuert, nicht aber festlegt, wo und wie man leben muss, war es uns Studenten immer möglich gemeinschaftlich Apartments zu mieten, an die wir alleine als Studenten nie herangekommen wären, so z.B. im Münchner Stadtteil Schwabing oder auch während meines Aufenthalts in den USA. Ich habe während des Studiums mit über einem Dutzend verschiedenen Dualen Studenten zusammengewohnt. So ist der Freizeiteffekt quasi integriert, da sich durch den Beruf und ähnliche Tagesabläufe auch große Gemeinsamkeiten ergeben.

5. Nach dem Bachelor Studium hast Du von 2015 bis 2017 in einer Vertriebsposition im Key Account Management gearbeitet und gleichzeitig noch ein Master Studium in Digital Business Management absolviert. In dieser Zeit hast Du einen ganz klaren Fokus auf Retail gesetzt. Wie kam es dazu?

Zum einen durch meine bereits genannte Vorgeschichte bei Edeka zur Schulzeit, zum anderen durch die sechs Praxiseinsätze während des Studiums. In Berlin habe ich z.B. ein Konzept für eine komplette Customer Experience in einem Lebensmittelgeschäft erstellt, vom Eingang bis zum Check-out und den Aftersales Prozess. Die Fragestellung lautete: Wie kann das Kundenerlebnis durchgehend mit IBM Lösungen abgebildet und verbessert werden? Meine Aufgabe war es darzustellen, welchen Weg der Kunde mit allen Abzweigungen gehen kann, wann er die App des Händlers nutzt, wann es Sinn macht, dass er eine Push-Benachrichtigungen erhält, ob ihm Informationen über die Herstellung des Produktes wichtig sind und vielem mehr. Sowohl der Lebensmittelhandel als auch der Fashionbereich liegen im Prozess der Digitalisierung noch weit zurück. Hier liegt meiner Meinung nach noch sehr viel Potenzial.

Als ich daraufhin ein Angebot von IBM in Düsseldorf erhielt, in einem Key Account Team für verschiedene Retailer zu arbeiten, habe ich das als große Chance gesehen. Ich habe dort langjährige Manager mit Erfahrungen aus dem Lebensmittel- und Fashionhandel kennengelernt, von denen ich sehr viel gelernt habe. Auf der anderen Seite sagten mir einige von ihnen, dass sie mich bewusst ins Team geholt hätten, da ich allein schon aufgrund meines Alters eine andere Sicht auf die Einkaufsprozesse haben würde. Dies helfe ihnen dabei, komplett neue Ansätze zu entwickeln. Nach dem Motto: „Wir setzen Dich auf Kundenbedürfnisse an, von denen die Firmen heute noch gar nicht wissen, dass ihre Kunden sie bereits morgen haben werden“.

6. Du führst in Deiner damaligen Tätigkeitsbeschreibung auch „Business Development im Foodtech Startup Ecosystem“ an, was ist hierunter zu verstehen?

Es gibt sehr viele Retail-Kunden, bei denen das Interesse für die Digitalisierung und neue Technologien groß ist, die aber nicht wirklich wissen, wie sie damit arbeiten oder diese nutzen wollen. Im Raum Düsseldorf läuft z.B. viel über sogenannte Meet-ups, auf denen sich Retailer unabhängig treffen, um sich über bestimmte Themen wie z.B. über IoT, Sensorik und künstliche Intelligenz auszutauschen und darüber, wie man im Handel damit umgehen könnte. Ich habe daraufhin versucht, solche Meet-ups häufig zu besuchen, um die Denkprozesse der Retailer nachvollziehen zu können. In Panneldiskussionen habe ich mit den Retailern diskutiert, welche Themen ich als Trend sehe, welche Jobs zukünftig durch Technologien unterstützt werden könnten, welche nicht, und welche Ansätze es gibt, um mit künstlicher Intelligenz offen und trotzdem achtsam umzugehen.

Daniel Kranz, IBM © Messe Düsseldorf

7. Was glaubst Du, wie weit wird die Digitale Transformation in den kommenden 10 Jahren unser Einkaufsverhalten verändern?

Meiner Meinung nach müssen die Geschäftsführungen näher an die eigentlichen Kunden rücken. Zudem müssen neben der Marge auch langfristige Ziele beachtet werden. Wenn der stationäre Handel, insbesondere der deutsche, überleben will, dann muss er seinen Kunden Mehrwerte bieten, die die Konkurrenz nicht bieten kann. Ich glaube nicht, dass die Unternehmen in Asien und den USA viel besser agieren. Dennoch denke ich, dass sie unterschiedliche Ansätze fahren und auch in ihren Ländern auf ein anderes Kundenverhalten treffen als wir in Deutschland. In China etwa geht es beim Einkaufen eher um die soziale Anerkennung, als um Selbstverwirklichung. Dies steht im Gegensatz zu unserer Kultur in Deutschland. In den USA sieht es wieder komplett anders aus. Dort geht es vielmehr darum, das Einkaufen so einfach und schnell wie möglich zu gestalten. Ich persönlich gehe z.B. sehr ungern Lebensmittel einkaufen. Sofern mir jemand die Lieferung nach Hause zur gewünschten Qualität bieten kann, würde ich auch mehr bezahlen, um nicht mehr in den stationären Handel zu müssen. Damit sind wir in Deutschland aber noch weit zurück, weil dies die Mehrheit der Kunden (noch) nicht will.  Wenn aber erst die jetzige junge, digitale Generation zu einem größeren Teil des Umsatzes beitragen werden, werden sie nicht mehr ins Geschäft gehen, wenn ihnen jemand die reife Mango auch nachhaltig nach Hause liefert. Der stationäre Handel muss stärker als je zuvor Mehrwerte durch maßgeschneiderte und digitale Services bieten, um den Kundenbedürfnissen zu folgen.

8. Aktuell bist Du sowohl Executive Assistant für den General Manager als auch Senior Consultant bei IBM. Wie sieht bei Dir heute eine typische Arbeitswoche aus?

Als Executive Assistant des General Managers auf europäischer Ebene bin ich immer noch in beratender Funktion tätig, jedoch mit einem eher unüblichen Tagesablauf für einen Consultant. Ich bin viel mit dem General Manager auf Reisen und unterstütze ihn in der europäischen Strategie-Entwicklung und in der Operationalisierung. Zudem arbeite ich an eigenen Projekten, wie zum Beispiel der Konzeption und Umsetzung von Kundenevents oder internen Kommunikationskonzepten. Hierbei versuche ich auch meine junge Denkweise in die Diskussionen des Managements einfließen zu lassen. Mein Manager hat mich bewusst  für diese Rolle ausgewählt, da ihm bekannt war, dass ich jemand bin, der versucht neue Wege zu gehen und Prozesse von einer anderen Seite zu betrachten.

9. Welchen Tipp würdest Du jemandem geben, der gerade seine Weichen für das Berufsleben stellen will?

Weniger planen – mehr machen. Ich rate zu möglichst vielen Praktika und dazu, viele Kontakte zu verschiedensten Leuten aus unterschiedlichen Branchen zu knüpfen. Auch ich habe mal ein Praktikum in einer Schreinerei gemacht und bei meinem Vater in der Steuerkanzlei gejobbt. Zu ersterem bin ich zwar, wie ich schnell festgestellt habe, denkbar ungeeignet, aber ich habe es zumindest einmal ausprobiert. Mein zweiter Tipp: Weg von der Denke, weil etwas in der Vergangenheit nicht geklappt hat, wie z.B. der Notenschnitt, könnte man bestimmte Ziele nicht erreichen. Wenn man eine Leidenschaft für etwas entwickelt und sich wirklich in etwas einarbeitet, können auch Umwege zum Ziel führen. Das Wichtigste, und damit auch mein letzter Punkt, ist, dass man die Kontakte in seinem Umfeld pflegt und proaktiv nutzt. Hinter jeder Person stecken spannende Ideen und vielleicht schon die nächste persönliche Herausforderung oder gar der nächste Job.

Daniel Kranz, IBM © Messe Düsseldorf

10. Mit deinen 25 Jahren bist du noch sehr jung – wo siehst Du Dich in zehn Jahren?

Ich würde gerne noch einmal ins Ausland gehen und mit Kunden anderer Nationalitäten zusammenarbeiten. Mich interessieren Märkte mit einem anderen Tempo als wir es hier in Deutschland haben, z.B. der angesprochene amerikanische Markt oder die asiatischen Länder, mit ihren völlig unterschiedlichen Kulturen und Abläufen, aber auch Nordafrika oder einzelne Staaten in Südamerika, in denen die Digitalisierung gerade erst richtig in Schwung kommt. Auf der anderen Seite will ich  nicht immer beruflich unterwegs sein. Im Endeffekt kommt es häufig anders als man zunächst denkt, da sich so viele Möglichkeiten für junge Menschen in der Retail Branche bieten. Genau aus diesem Grund ist die IBM für mich persönlich so spannend. Sie bildet die verschiedensten Facetten ab. Hier kommt der Wechsel von der einen zur anderen Sparte dem Wechsel zu einem anderen Unternehmen gleich. Sicherlich wäre es langfristig auch interessant,  einen komplett anderen Arbeitgeber kennenzulernen – warum dann nicht auch einen Retailer?

11. Du warst als Projektleiter für die Messeauftritte der IBM auf der EuroCIS 2016 & EuroShop 2017 zuständig. Wie hast Du die Messe Vorbereitungen und die beiden Messen selbst erlebt?

Beide Messen sind immer wieder eine sehr schöne Erinnerung für mich, da man in der IBM immer wieder auf die Leute trifft, mit denen man diese Zeit erlebt hat. Ich habe die Messeauftritte jeweils in einem kleinen Team als Eventmanager zusammen mit Marketing betreut, den Stand von der Platzierung bis zur Finanzierung geplant und währen der Messezeit dann auch selbst als Ansprechpartner für die Kunden auf dem Stand gearbeitet. Messetage sind immer sehr dynamisch und selten vorhersehbar. Da kann man die Kreativität zeigen, die in einem steckt. Unter anderem haben wir gemeinsam mit einem großen Händler auf unserem EuroShop Stand einen digitalen Beratungsspiegel präsentiert, der durch IBM Watson Fähigkeiten das Alter und den Stil des Kunden einschätzte und daraufhin personalisierte Kleidungsvorschläge unterbreitete – ein klassisches Personalisierungsthema. So etwas live auf einer Messe zu präsentieren, obwohl man selbst ja gar nicht der Fashion Retailer ist, fand ich extrem spannend. Direktes Feedback vom Fachpublikum zu erhalten, das ist es für mich, was die EuroShop und die EuroCIS ausmacht. Intern ist das oftmals gar nicht so leicht darzustellen. Was aber diese beiden Messen auszeichnet, ist, dass wirklich Kunde aus der Retail Branche vor Ort dort ist. Man braucht diese Messe einfach, wenn man im Handelsbereich vertreten und gesehen werden will.

Das Interview führte Dr. Cornelia Jokisch, Redaktion EuroShop.mag

Dr. Cornelia Jokisch und Daniel Kranz © Messe Düsseldorf

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