11. Dezember 2018 | Interview, Retail Marketing, Shopping Today

Mieten statt kaufen: Der Outdoorausrüster VAUDE traut sich

Produkte und Ausrüstung für das Outdoor-Erlebnis mieten und nicht kaufen? Ja, das geht. VAUDE macht es seit 2017 möglich. Noch steckt das Projekt „iRentit“ in den Kinderschuhen. Der perfekte Moment für uns, um mit Lisa Fiedler, die das Konzept mitentwickelt hat, über Herausforderungen, Hygiene und den ambivalenten Kunden zu sprechen.

Im Frühjahr 2017 startete das Projekt „iRentit“ als Pilot in drei Stores. Seit Anfang des Jahres 2018 können Kunden nun in allen VAUDE-Stores und auch online bestimmte Hardware-Produkte mieten. Wie kam die Idee von „iRentit“ zustande?

Wir stehen vor großen globalen Herausforderungen, wie zum Beispiel der großen Ressourcenverschwendung oder der Urbanisierung, wodurch die Menschen immer weniger Stauraum haben. Wir stellen aber auch fest, dass es unseren Kunden immer weniger darum geht, die Gegenstände und Produkte zu besitzen, sondern viel mehr, sie zu benutzen. Die passgenaue Verfügbarkeit ist hier viel eher der entscheidende Punkt. Aus diesen ganzen Gedanken und Veränderungen heraus ist die Idee zu „iRentit“ entstanden.

Lisa Fiedler © VAUDE

Lisa Fiedler, Unternehmensentwicklung © VAUDE

Das Konzept ist nicht komplett neu. „Sharing is Caring“ schreiben sich immer mehr Firmen auf die Fahnen. Sie vermieten Autos, Kameras und Mikrofone auch kurzfristig.

Genau, in anderen Bereichen ist das Mieten von besonders kostspieligen Produkten schon länger etabliert.

Wir stellten in den letzten Jahren vermehrt fest, dass sich Menschen immer mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen und mit gutem Gewissen einkaufen wollen.

Welche Kosten entstehen für den Mieter und für das Unternehmen?

Für den Nutzer entstehen nur die Mietkosten des jeweiligen Produkts. Wenn er es online mietet, fallen zusätzlich die Versandkosten an. Für das Unternehmen entstehen Kosten, da wir die zurückgesendeten Produkte überprüfen und gegebenenfalls auch reparieren müssen. Wenn es sich bei den Reparaturen um normalen Verschleiß handelt, übernehmen wir die Kosten, bei mutwilliger Zerstörung muss der Kunde zahlen.

Rentiert sich die Vermietung finanziell überhaupt?

Noch nicht. Rentabel wird es erst, wenn mehr Produkte gemietet werden. Prognosen dazu wären zum jetzigen Zeitpunkt noch zu spekulativ.

Anziehsachen und auch Schlafsäcke können bei VAUDE aus hygienischen Gründen nicht gemietet werden.

Genau, dennoch ist unsere angebotene Produktwelt relativ groß. Wir vermieten Fahrradtaschen, Zelte, Isomatten und noch vieles mehr. Diese werden von den Kunden gereinigt zurückgeschickt und von uns überprüft. Schlafsäcke und Bekleidung allerdings noch nicht, da ist die Reinigung noch zu aufwendig. Für die Zukunft machen wir uns dazu aber Gedanken.

Wie viele Mietzyklen sind möglich, bis ein Produkt zu abgenutzt ist?

Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Unser Bestreben ist, das Produkt möglichst oft zu vermieten, um so dann auch wirklich ressourcensparend und umweltschonend zu arbeiten.

Ist denn das Mieten prinzipiell attraktiver als das Kaufen des Produkts?

Aus unserer Sicht noch nicht. Mit unseren bisher 40 Mietvorgängen haben wir die kritische Masse noch nicht erreicht, um zu sagen, dass mieten attraktiver ist. Aber das Interesse ist vorhanden. Dem Trend zufolge geht es immer mehr in diese Richtung.

Unsere Zielgruppe ist breit gefächert. Den Radfahrer, der nur Rad fährt, gibt es kaum noch. Die Interessen sind weiter gefächert. Da kommt es ihm natürlich gelegen, dass er auch Produkte mieten kann, um einen neuen Sport auszuprobieren, bevor er sich eine ganze Ausrüstung zulegt.

Wie funktioniert die Vermarktung? Als Statussymbol wirkt ein gemietetes Produkt wahrscheinlich nicht.

Das stimmt, es ist vielmehr ein Lebensstil. Wir verbreiten das neue Konzept über unsere verschiedenen Kommunikationskanäle, wie unserer Homepage mit dem Mietportal, Social Media und Mailings. Auch die Presse zeigt sich interessiert. Zusätzlich verteilen wir Flyer in den VAUDE Stores, um unsere Kunden vor Ort zu informieren.

Über welche Stolpersteine ging die Reise zum Mietkonzept?

Ein besonders großer Stolperstein war die Abbildung von Mietprozessen in einer betriebswirtschaftlichen Software. Das ist eine Grundvoraussetzung für die Vermietung, besonders, wenn diese Dienstleistung auch groß skaliert werden soll.

Da die meisten Systeme dezentral arbeiten, wir aber als Marke in allen Stores selbst agieren möchten, ist die Suche nach dem richtigen System tatsächlich eine enorme Herausforderung.

Der Zeit- und Kostenaufwand für die Wartung und die Reparatur der Produkte sind hoch und müssen gut kalkuliert werden.

Ist das ein Konzept mit Zukunft?

Es ist eine Herzensangelegenheit, die sich besonders an die Zukunft richtet. Auch wenn es ein zunächst großer Aufwand ist, kann es sich zu einem rentablen Geschäftszweig entwickeln. Das braucht aber Zeit, optimierte Prozesse und eine gewisse Bewusstseinsbildung beim Kunden.

Interview: Nora Petig
zuerst veröffentlicht auf iXtenso – Magazin für den Einzelhandel

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