Der Blick in den Kopf des Verbrauchers
1. März 2019 | News, Retail Marketing, Shopping Today

Verborgene Bewertungen sichtbar machen

Einkaufen im Supermarkt ist manchmal die Qual der Wahl. So viele verschiedene Lebensmittel, die da im Angebot sind. Und trotzdem verbringen wir nicht Stunden damit, diejenigen auszuwählen, die uns schmecken. Die Entscheidungen für oder wider gewisse Produkte fällen wir meist schnell und ohne darüber nachzudenken.

Das hat weniger mit unserer Entscheidungsfreude zu tun, als mit einem äußerst effizienten Informationsverarbeitungsprozess im Gehirn. Ein Dreierteam von Forschern der ETH Zürich, der Universität Zürich und der Columbia University hat nun diesen Prozess in einem neuen Computermodell nachgestellt. Damit können die Wissenschaftler mit hoher Treffsicherheit voraussagen, für welche Lebensmittel beispielsweise sich eine Person entscheidet.

„Wir können mit diesem Modell den Menschen quasi in den Kopf schauen und sein Entscheidungsverhalten vorhersagen“, erklärt Rafael Polanía, Professor für Entscheidungs-Neurowissenschaft der ETH Zürich.

Bewertungsraster im Hirn abgelegt

Grundlage des abgebildeten Prozesses respektive des Modells ist ein subjektives, im Gehirn abgelegtes Bewertungsraster. In diesem Raster sind aufgrund früherer Erfahrungen und Erinnerungen Bewertungen für jedes Lebensmittel hinterlegt, ähnlich wie bei großen Online-Händlern, wo Nutzerinnen und Käufer Produkte mit Sternen bewertet haben.

Ein solch effizientes Bewertungssystem entlastet das Hirn, dessen Verarbeitungskapazität – die Zahl der zur Verfügung stehenden Neuronen ist endlich – begrenzt ist. Die Effizienz ist auch deshalb wichtig, da das Hirn über seine in die Außenwelt gerichteten Sensoren wie Augen, Ohren, Nase oder Zunge laufend mehr Informationen aufnimmt, als es verarbeiten kann.

Bei Entscheidungen, wie sie der moderne Mensch im Supermarkt trifft, greift das Gehirn deshalb auf das kontextspezifische Bewertungsraster zurück. Einfacher gesagt: Kaufe ich in einem bestimmten Laden (Kontext) Orangen, dann tue ich das, weil ich bereits früher in diesem Geschäft gute Erfahrungen mit Orangen gemacht habe. Auf meiner hirninternen Bewertungsplattform gebe ich den Südfrüchten 95 von 100 Punkten. Grapefruits mag ich weniger, weil sie mir zu sauer waren und sie nur 10 Punkte erhielten.

Solche Einzelbewertungen ergeben eine Gesamtverteilung der Vorlieben. Diese lässt sich mathematisch beschreiben und auswerten. Und genau hier setzt das Modell an. Es trifft aufgrund solcher Bewertungsverteilungen und Effizienzprinzipien zutreffende Prognosen darüber, für welches Lebensmittel sich eine Versuchsperson entscheiden wird.

Anwendung im Marketing

„Anwenden kann man ein solches Modell bei allen Entscheidungen, die auf subjektiven Einschätzungen beruhen“, sagt Polanía. Marketingfachleute könnten beispielsweise besser vorhersehen, welche Produkte bei den Leuten Anklang fänden. Ökonomen könnten es für eine bessere Preisgestaltung nutzen.

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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