25. März 2020 | Gastbeitrag, Shop Fitting, Store Design & Visual Merchandising, What´s new in Retail

Die Ausstellung „Arcadia Earth“ in New York hat vor kurzem Aufsehen erregt. Der Pop-Event lässt die Besucher mithilfe von Kunst, Augmented und Virtual Reality sowie Licht- und Sound-Collagen Teil surrealer, multisensorisch wahrnehmbarer Welten und futuristischer Schauplätze werden. Und das lässt sich auf den Retail übertragen: Räumliche Inszenierungen können einen Kunden vergessen lassen, dass er sich in einem Store oder einer Mall befindet. Netter Nebeneffekt, der als Frequenzbringer nicht unterschätzt werden darf: Es bieten sich fotogene Bildmotive, die die Instagram-Generation auf den Plan rufen.

Wenn die individuell gestaltete Raumhülle zum aktiven Design-Element, zur experimentellen oder irritierenden „Kulisse“ wird, werden die herkömmlichen Sehgewohnheiten außer Kraft gesetzt. Ein Streifzug durch die internationale Retail-Szene zeigt Beispiele imposanter Raumproportionen und deren Strahlkraft.

Im Storedesign wird zumindest in hiesigen Breitengraden derlei szenografischen Inszenierungen noch eher wenig Bedeutung beigemessen. Auch wenn um die Schaffung eindrucksvoller Erlebnisse gerungen wird, mit denen die Attraktivität der Läden und Innenstädte gesteigert werden soll, bleibt der vertraute Zuschnitt von rechtwinkligen Räumlichkeiten zumeist unverändert. Hier siegt der Pragmatismus und mit ihm das rechteckige, geometrische Grundverständnis. Ladeneinrichtungen müssen heute eben flexibel und modular sein und alle Optionen für schnellen Umbau und Umzug offenhalten, da bleibt für größere Installationen, die meist auch mit erhöhtem materiellem und finanziellem Einsatz verbunden sind, kaum Platz.

PHANTASIEVOLLES ASIEN

Anders sieht es in Asien aus. In den Hochburgen von Shopping und Retail-Design wie in Seoul oder Singapur, wo man sich gerade auf architektonischem Terrain gern darin übertrifft, Grenzen zu überschreiten und Visionen in Beton zu gießen, lösen sich Store-Architekturen immer wieder mal mutig von gewohnten Proportionen. Die Architektur sakraler Bauwerke oder futuristische Visionen liefern häufig die Inspiration. Und wenn die asiatischen Designer Store-Räume in organisch anmutende Gebilde verwandeln, offenbart sich ein fast poetischer Zugang zum Storedesign. So sagte etwa der Architekt Yu Ting vom Architekturstudio Wutopia Lab in Shanghai: „Ich entschied mich, einen weißen, abstrakten Berg zu bauen. Dahinter blickt man in den herrlichen Himmel. An einem sonnigen Tag kann sich der Himmel auf dem Boden spiegeln. Das lässt den Berg schweben.“ Dabei handelt es sich wohlgemerkt um die Innenarchitektur eines Buchladens.

Aesop in Seoul. © Juliette Allair

Kreuzgang: Aesop Han Nam, Seoul

Es ist bereits der neunte Store der Kosmetikmarke Aesop in Seoul. Rundum aus dunklen Ziegelsteinen gemauert, weckt der gewölbeartige Innenraum mit seinen bogenförmigen Nischen nach europäischer Lesart Assoziationen an ein altes Kloster, Kirchen- oder Konventgebäude. Doch sind die abgerundeten Ziegelformen vom traditionellen koreanischen Kammerofen Mangdaengi Gama abgeleitet.

Architektur: Mlkk Studio, Hongkong  

Tangy Collection, Guangzhou Bayun. © Deve Build

Panoptikum: Mirror Garden, Beijing

In einem kleinen Einzelgebäude mit einer Fläche von rd. 280 m² auf drei Etagen mit Multilabel-Boutique, Gastro- und Eventfläche wurde mithilfe verspiegelter Wände und Decken auf engstem Raum ein unendliches Sichtfeld geschaffen. Die Spiegel, die Mehrfachreflexionen von Menschen, Ware und Möbeln auslösen, erzeugen eine interaktive Beziehung zwischen dem Realen und dem Reflektierten.

Architektur: Archstudio, Beijing

Inns Whiskey Bar, Chengdu. © Ringin’ Studio

In der Destille: Inns Whiskey Bar, Chengdu

Schummrig, urig, gemütlich – die Insignien schottischer und irischer Pub-Kultur wurden in der chinesischen Whiskey-Bar „veredelt“ und avantgardistisch aufbereitet. Mit seinen Kurven zeichnet das Interior-Design die Rundungen von Destilliergefäßen einer Whiskey-Brennerei nach, Kupfer- und Goldtöne symbolisieren die Farben des Whiskeys.

Architektur: Wooton Designers, Chengdu

Duoyun Books, Shanghai. © CreatAR Images

Dem Himmel nah: Duoyun Books, Shanghai

60.000 Bücher und 2.000 andere Produkte werden auf einer Fläche von 2.200 qm inszeniert – in einer Höhe von 239 m im 52. Stockwerk von Shanghais höchstem Gebäude, dem Shanghai Tower. Der Douyun Books Flagshipstore beherbergt neben der Buchhandlung auch Räumlichkeiten für Events und ein kleines Restaurant. Das Interior Design greift das Zusammenspiel zwischen dem Innenraum und der Aussicht auf.

Architektur: Wutopia Lab, Shanghai

Louis Vuitton Pop-up, New York. © Louis Vuitton

Instagrammable: Louis Vuitton Pop-up, New York

Eine Raumgeometrie, die die Sehgewohnheiten auf die Probe stellt: Der Menswear-Designer von Louis Vuitton, Virgil Abloh, schickte die Luxusmarke auf Pop-up-Tour. Die temporären Läden wurden an den jeweiligen Standorten samt Fassade und Inventar – die Verkaufskollektion ausgenommen – in satte Uni-Töne getaucht. Die Klicks sind ihm sicher.

Design: Louis Vuitton

Mirror Garden, Peking. © Hong Qiang

Hommage an den Frost: Tangy Collection, Guangzhou Bayun

Eine poetisch-ästhetische Hommage an die landestypische Natur liefert der mit grazilem Strukturgitter aus weißem Glas ausgekleidete, etwa 80 m² große Airport-Store in Guangzhou für die Modelinie Tangy Collection. Inspiration lieferte eine neblige Uferszene, deren glitzernder Tau zu Frost gefriert

Designer: Deve Build, Shenzhen

 

EHI Retail Institute Gastbeitrag, Quelle: www.stores-shops.de

Autorin: Konny Scholz, redaktion@ehi.org

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