29. April 2020 | Interview, Retail Technology, What´s new in Retail

Zur Vorbereitung Ihres Webshops auf Lastspitzen durch Werbeaktionen oder Cyberattacken

Die Empfehlung Ihres Produkts durch einen Influencer oder der Ansturm von Kunden auf Ihren Gutscheindeal – eigentlich sind solche erfolgreichen Marketingmaßnahmen ein Segen für jeden Händler. Aber der Schuss kann nach hinten losgehen!

Wenn eine große Zahl interessierter Konsumenten auf die Seite zugreifen und dadurch der Onlineshop zusammenbricht und nichts mehr geht, drückt das nicht nur den potenziellen Umsatz, es schädigt auch langfristig den Ruf. Deswegen empfiehlt Daniel Schnadt, Gründer und CEO von Gambio, sich vorher mit den eigenen technischen und organisatorischen Kapazitäten auseinanderzusetzen.

Ein Mann mit verschränkten Armen und weißem Hemd lächelt in die Kamera

© Gambio

Herr Schnadt, warum kennen Sie sich mit dem Thema Lastspitzen aus?

Wir sind ein Technikdienstleister und entwickeln Webshop-Lösungen für unsere Händler. Dazu bieten auf der einen Seite die Software, auf der anderen Seite eine komplett ausgerüstete Cloud-Lösung an. Und vor allem bei letzterer sind wir dafür verantwortlich, dass die Shops unserer Händler immer laufen, auch dann, wenn sie unter starker Last stehen.

Dass es in der Vorweihnachtszeit zu hohen Auslastungen in Onlineshops und Versandlagern kommt, weiß jeder. Aber gibt es noch andere Lastspitzen, auf die sich Händler vorbereiten können?

Solche Spitzenauslastungen entstehen beispielsweise durch Events wie Black Friday oder Cyber Monday, aber auch Gutschein- und Promotionaktionen, die durch Portale wie zum Beispiel MyDealz.de oder Gutschein.de verbreitet werden. Wenn ein Deal gepostet wird, kann es innerhalb von Minuten zu tausenden Zugriffen auf den Webshop kommen, die verarbeitet werden müssen. Auch gelungene Werbeplatzierungen, eine Berichterstattung in den Medien oder eine Erwähnung durch einen Influencer können sehr hohe Zugriffsraten auslösen.

Es sind wirklich unglaubliche Besucher- und Bestellmassen, die man durch Werbeaktionen erzeugen kann. Ich kenne Händler, die es geschafft haben, innerhalb von ein, zwei Stunden einen Umsatz zu erreichen wie sonst im ganzen Jahr. Wenn man das dann nicht bedienen kann, ist das wirklich ärgerlich.

Und schließlich gibt es noch eine mögliche Ursache für Webseitenauslastung, die viele vergessen: Durch Cyber-Angriffe, sogenannte DDOS-Attacken (Distributed-Denial-of-Service), werden Systeme mit künstlichen Anfragen bombardiert und so außer Gefecht gesetzt. Auch das sind natürlich Lastspitzen, bewusst herbeigeführt mit dem Ziel, die Server in die Knie zu zwingen.

Auf diese Zugriffanstiege kann und sollte man sich vorbereiten. Händler, die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben, sind häufig von solchen Lastspitzen überrascht.

Wie bereite ich mich denn als Händler darauf gut vor?

Der Händler muss dafür sorgen, dass er über ausreichend Serverkapazität verfügt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese zu gewährleisten.

Wenn er selbst seinen Shop hostet, also eigene Server betreibt, muss er sicherstellen, dass ausreichend Server im Einsatz sind, so dass die nicht schon bei Normalbetrieb an ihre Grenzen stoßen. Da gilt einfach: „Viel hilft viel.“ Zusätzlich kann man auf Content Delivery Networks zurückgreifen – ein Netz aus mehreren, regional verteilten Servern – auf denen die Inhalte der eigenen Seiten gespiegelt werden. Dadurch wird im Falle eines Angriffs beispielsweise die Last auf viele verschiedene Knotenpunkte verteilt.

Das Problem: Eine Absicherung in diesen Fällen bedeutet immer, Serverkapazitäten vorzuhalten und zu bezahlen, die in der Regel nicht gebraucht werden. Hier kann eine Cloud-Lösung Abhilfe schaffen. Wenn Händler ihren Shop nicht auf eigenen Servern betreiben, sondern sich über eine Cloud mit vielen anderen Nutzern eine Serverfarm teilen, gewährt auch das einen größeren Schutz vor Überlastung des Systems. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele Nutzer zum gleichen Zeitpunkt eine extreme Lastspitze haben, ist eher gering, dadurch verteilt sich die Belastung zeitlich. Außerdem muss der Händler sich nicht selbst mit der Technik beschäftigen.

Man muss aber auch akzeptieren: Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht; gerade bei völlig unkalkulierbaren Ereignissen wie Cyberangriffen oder der Corona-Pandemie mit Kontaktverbot, wie wir sie gerade erleben, zum Beispiel.

Ein roter Pfeil geht hoch und runter und steigt dann nach einem Trampolin sprunghaft an

© PantherMedia/AntonioGuillemF

So ein Ereignis wie die Corona-Krise kann wirklich die besten Pläne über den Haufen werfen.

Diese Situation gab es wirklich noch nie. Die Last auf das gesamte Netz ist extrem hoch, das zeigen auch die Versuche von Netflix, YouTube und Co, die Datenraten zu drosseln. Dazu kommen viele Händler, die nun ihre Geschäfte schließen mussten und eine Alternative suchen. Ein eigener Onlineshop gibt ihnen die Möglichkeit, die Härte der Krise ein wenig abzufedern.

Das heißt aber nicht, dass die Last auf alle Shops so extrem hoch ist. Es gibt Webshops, die haben jetzt eine besonders hohe Auslastung, wie beispielsweise die Bereiche Garten und Lebensmittel, andere eine sehr geringe, zum Beispiel im Bereich Fashion.

Wenn wir jetzt wieder zu „normalen“ Zeiten zurückkehren, wie sähe dann der Zeitplan für so eine Vorbereitung auf Lastspitzen aus?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, das ist für jedes Unternehmen anders. Das Wichtigste ist, dass man früh genug anfängt. Sich in ein, zwei Wochen hektisch auf so etwas vorzubereiten, das klappt nicht. Die großen Dinge umzustellen, das kostet einfach Zeit. Am besten ist es, sich Anfang des Jahres darum zu kümmern, wenn man weiß, am Ende des Jahres wird es heikel.

Man sollte auch daran denken, seine Partner in der Supply Chain rechtzeitig zu informieren, wenn man etwas plant, was zu einer hohen Auslastung führen kann. Selbst wenn Händler sich auf solche Aktionen gut vorbereiten, kann der Prozess stocken, wenn sie zum Beispiel ihren Webhoster nicht vorwarnen. Das sehen wir immer wieder. So wird der Dienstleister kalt erwischt, am besten noch abends um 23 Uhr, wenn es im Rechenzentrum nur eine Notbesetzung gibt.

Und Ähnliches gilt für weitere Stellen, beispielsweise die Logistik. Wenn ein Paketdienst plötzlich wesentlich mehr Bestellungen abholen muss als sonst, dann kann der einplanen, dass er die zusätzlichen 20 Paletten nicht in den Sprinter kriegt.

Es gibt also Einiges zu bedenken, wenn man eine stark verkaufsfördernde Maßnahme plant.

Am besten geht man vorher einmal die gesamte Prozesskette durch, von der Bestellung im Webshop und den Warenbestand über die Kommissionierung, das Verpackungsmaterial und die Lagerkapazitäten bis zum Personal und dem Versand. Auch das Retourenmanagement sollte man nicht außer Acht lassen. So kann man vorher die Schwachstellen identifizieren, die Sollbruchstellen sozusagen, an denen das Ganze auseinanderfliegen könnte.

Interview: Julia Pott
Erstveröffentlichung auf iXtenso – Magazin für den Einzelhandel

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