12. Oktober 2020 | Retail Technology, Shopping Today

Was haben andere Länder den Deutschen in Sachen mobiles Bezahlen voraus?

von Katja Laska (exklusiv für EuroShop.mag)

M-Pesa in Kenia, die App Mobile Pay in Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden. Letzteres hat sogar seit 2016 die P2P-Anwendung “Swish“, die Echtzeit-Geldtransfer zwischen Smartphones möglich macht. Und Deutschland? Wir haben Branchenexperten gefragt, wie es um das mobile Bezahlen der Deutschen steht, woran es hakt und was international anders gemacht wird.  

25 Prozent der deutschen Bürger nutzen Mobile Payment, 57 Prozent wollen ihre Zahlungen in fünf Jahren mobil abwickeln, zwei Prozent mehr  59 Prozent  glauben auch, dass diese Verfahren ihnen das Einkaufen erleichtern. Zu diesen Ergebnissen kam die PwC, eine deutsche Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft bei ihrer Befragung von 1.000 Deutschen zu Mobile Payment. Noch hängt ein großer Teil der Bevölkerung am guten alten Bargeld. Dabei gibt es einige mobile Alternativen, wie uns Caroline Coelsch, Online- & Mobile-Payment-Expertin beim EHI Handelsforschung erzählt:  

 

 

Man hat also viele Möglichkeiten. Doch liegt vielleicht hier eins der Probleme der deutschen Mobile Payment-Landschaft? Für Steven Jacob, Director and Managing Partner, Arkwright Consulting verderben viele Köche den Brei: „Unsere Banken ziehen nicht immer an einem Strang. Wir haben eine vergleichsweise heterogene Landschaft, circa 1.700 einzelne Institute, zusammengefasst in drei Gruppen: Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und die privaten Banken. Bis die alle an einem Tisch sitzen und sich für eine Lösung entschieden haben, können viele Jahre vergehen, falls es überhaupt passiert. Da spielt auch mit ein, dass man hierzulande eher wettbewerbsorientiert agiert und Fokus auf die eigene Lösung und die eigenen Ansätze legt. 

Mann in Anzug und Krawatte schaut in die Kamera; copyright: Arkwright Consulting

Steven Jacob, Director and Managing Partner, Arkwright Consulting // ©Arkwright Consulting

Ein Blick über Deutschlands Grenzen

Nach dem Motto andere Länder, andere Sitten” gibt es Staaten, die anders handeln. Die Nordics Finnland, Schweden, Dänemark und Norwegen entwickeln sich immer mehr zur Cashless Society”. „Die Länder waren im Hinblick auf die Nutzungshäufigkeit von Kartenzahlung Ende der 1990er-Jahren soweit wie Deutschland (vor Corona) heute”, erzählt Jacob.  

Aber nicht nur vergleichsweise hochentwickelte und digitalisierte Länder bezahlen ihre Einkäufe virtuell. Auch im afrikanischen Kenia begleicht man seine Rechnungen lange nicht mehr mit Scheinen. Seit 2007 revolutioniert M-Pesa die Art und Weise, wie Menschen Geld ausgeben, sparen und senden. Dabei ist das Handy, wie zu vermuten wäre, der Dreh-und-Angelpunkt. Allerdings installieren sich Kenianer keine App auf ihrem Smartphone. M-Pesa nutzt das altbekannte Mobiltelefon wie eine Art Geldbörse. Die SIM-Karte beziehungsweise das Telefonkonto können in ein Bankkonto für „virtuelle Währung“ (eine andere Bezeichnung für einen digitalen Kontostand) umgewandelt werden. So lassen sich per M-Pesa auch Miete oder Nebenkosten zahlen und Geld an Dritte senden, alles per SMS. Mittlerweile hat sich der Dienst auch in Tansania, Afghanistan, in der Demokratischen Republik Kongo, Indien oder Mosambik durchgesetzt. Was in Kenia aus der Not des britischen Ministerium für internationale Entwicklung entstand, um den ländlichen Gegenden mit Mikrokrediten unter die Arme zu greifen, da das Netz aus Banken in dem Land nur sehr spärlich gesät ist und auch das Verteilen von Bargeld keine Option war, ist mittlerweile ein Selbstläufer: 2017 wurden 1,7 Milliarden Transaktionen im Wert von etwa 29 Milliarden Euro über M-Pesa getätigt. 

Im europäischen Norden lief die Abkehr vom Baren anders ab. Die Banken in den jeweiligen Ländern haben gelernt zusammenzuarbeiten, sodass ein flächendeckendes, einheitliches Mobile Payment-Verfahren für alle Bürger entstanden ist”, sagt Jacob. Auch, wenn deutsche Banken (bisher) anders agieren, liegt für ihn hier nicht der alleinige Unterschied: „Ein weiterer Punkt ist eine geringere Risikoaversion, das heißt man probiert eher etwas Neues aus und ist bereit, mehr mit digitalen Möglichkeiten zu spielen. Zudem ist die Sorge über Datensicherheit nicht so groß. Ein Beispiel: In Schweden ist seit 1766 in der Verfassung das Öffentlichkeitsprinzip verankert. Das bedeutet, dass die Schweden seitdem gelernt haben, dass sie Zugang zu sämtlichen öffentlichen Daten in der Verwaltung haben – bis auf Gesundheitsdaten oder Infos des Geheimdienstes. Wenn man aber über Jahrhunderte lernt, dass Daten gar nicht so schützenswert sind, dann geht man mit Loyaltyprogrammen, mobilem Bezahlen und Identity-Scheems ganz anders um.“  

Auch Caroline Coesch sieht beim Thema Daten einen der Knackpunkte:  

 

Beide Experten sehen trotz Skepsis Möglichkeiten das mobile Bezahlen attraktiver zu gestalten. Jacob spricht in diesem Zusammenhang von einer kritischen Masse”. „Es bringt nichts, wenn der Kunde ein bezahlungsfähiges Smartphone besitzt, wenn es kein Geschäft gibt, das dieses akzeptiert. Andersrum gilt das Gleiche. Warum sollen Händler mobiles Zahlen anbieten, wenn Kunden nur mit Bargeld um die Ecke kommen? Um diese Henne-Ei-Situation zu überwinden, braucht es eben eine kritische Masse. Um diese zu schaffen, braucht man gute Use Cases, die Konsumenten und Händler überzeugen, indem ihnen echte Mehrwerte geboten werden”, erklärt er. Sollte das der Fall sein, könnten sich laut der PwC-Studie 41 Prozent der Bundesbürger vorstellen künftig ausschließlich per Smartphone zu zahlen – sofern die Methode dann sicher und überall akzeptiert ist. 

 

 

Trotz alledem bahnen sich moderne Payment-Methoden langsam ihren Weg in die Bezahl-Routinen der Deutschen. Laut der PwC-Studie ist das Smartphone oder Tablet insbesondere bei Jüngeren beliebt. 46 Prozent der unter 30-jährigen Deutschen nutzen Mobile Payment; bei den über 60-Jährigen sind es 12 Prozent. Quer durch alle Altersgruppen zahlen 25 Prozent zumindest gelegentlich per Smartphone oder Tablet. 57 Prozent aller Deutschen können sich vorstellen, ihre Zahlungen in fünf Jahren mobil abzuwickeln. 

Jacob stellt, ohne bewerten zu wollen, ob eine Cashless Society” gut oder schlecht ist, heraus: „Solch eine Gesellschaft ist beispielsweise effizienter, wenn es um das Thema Steuern geht. In Schweden lassen sich Kosten für haushaltsähnliche Dienstleistungen, die wir in unserer Steuererklärung geltend machen können, sofort um den steuerlichen Betrag – im Moment der Bezahlung in Echtzeit – reduzieren. Es ist für Käufer also viel sinnvoller direkt mit Karte zu bezahlen oder elektronisch. So umgeht das Land das Thema Schwarzgeld. Steuervorteile werden sofort transparent gemacht.” Was anderswo bereits möglich ist, kann er sich auch in Deutschland vorstellen. Aber auch bereits in fünf Jahren? „Ich denke, dass wir uns in diese Richtung bewegen werden. Der Corona-Schock hat diesen Trend auch nochmal erheblich beschleunigt. Trotzdem handelt es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche Veränderung, die sich nur schrittweise entwickeln wird. Ich rechne eher mit 15 als mit fünf Jahren.” 

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