29. Oktober 2020 | Retail Technology, Shopping Today

Kurs auf ein nahtloses Einkaufserlebnis mit Self-Scanning

von Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

Das bequeme und nutzerfreundliche Einkaufserlebnis mit dem „seamless Checkout“ im stationären Handel ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, gestaltet sich aber noch schwierig. Zahlreiche Technologien helfen dabei, dieses zu verwirklichen, wenn auch viele nur schrittweise. Eine davon ist Self-Scanning.

Eine Person hält ein Smartphone in der einen und eine Zange mit Barcode in der anderen Hand

© iXtenso/Laska

Checkouts und Warteschlangen sind für Kunden ein kritischer Faktor für das Einkaufserlebnis. Anbieter und Händler tasten sich mit neuen Lösungen an den komplett nahtlosen, kassenlosen Checkout heran. Diesen aber umzusetzen ist aufwendig und teuer. Für einzelne Schritte des Einkaufens gibt es bereits Angebote, die diesen wesentlich bequemer machen und Kunden daran gewöhnen (scheinbar) eigenverantwortlich und selbstbestimmter zu shoppen.

Schritte auf dem Weg zum „seamless Checkout“

Komplett kassenlose und videoüberwachte Stores gibt es noch sehr wenige. Self-Scanning-Apps, oft auch „Scan & Go“-Technologie genannt, sind eine Kompromisslösung auf dem Weg zum komplett nahtlosen Einkaufsprozess.

Screenshot eines Smartphone Displays beim Scan eines Barcodes

Screenshot eines Barcode-Scans aus der Roqqio BuyBye App // © iXtenso/Pott

Der größte Vorteil für Kunden: Sie müssen ihre ausgewählten Produkte nicht mehr an der Kasse aufs Band legen und nach dem Scan- und Bezahlvorgang wieder einpacken. Sie scannen die Barcodes selbst und verbringen dafür weniger Zeit in der Kassenwarteschlange. Zudem liefert die hierfür notwendige App auch eine Übersicht über den virtuellen Warenkorb und eine Kostenvorschau. In einigen Anwendungen ist auch eine Einkaufsliste integriert, die Kunden pflegen können.

Knackpunkt Checkout

Sehr unterschiedlich sind oft die angebotenen Zahlungsmethoden, die sowohl vom Anbieter als auch vom Händler abhängig, aber gleichzeitig ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer solchen Anwendung sind. Grundsätzlich gibt es hier drei Vorgehensweisen:

Bei einigen Apps, beispielsweise der Lösung von Scansation, wird am Ende des Einkaufs ein QR-Code auf dem Kundensmartphone generiert, den die Kunden an der Kasse vorzeigen und abscannen lassen müssen. Somit wird wie gewohnt an der Kasse bezahlt, die Warteschlange hingegen verkürzt, da die Ware im Einkaufswagen bleibt. (Laut Scansation ist mit entsprechenden Schnittstellen auch das Bezahlen an einem gesonderten Terminal oder in der App selbst möglich.) Grundsätzlich bleibt die Kasseninfrastruktur auf der Fläche dieselbe.

Eine Frau hält ein Smartphone an ein Terminal mit Lesegerät

© iXtenso/Laska

Wird der Self-Checkout des Kunden an einer gesonderten Kasse oder an einem Terminal durchgeführt, wird weiterhin eine entsprechende Hardware benötigt. Zwar sollten immer Mitarbeiter bereitstehen, die bei Fragen helfen können und auch stichprobenartige Überprüfungen können sinnvoll sein. Nutzen Händler solche Lösungen, haben aber Angestellte mehr Zeit für andere Aufgaben verglichen zu einer herkömmlichen Kasse. Entsprechende Self-Checkout-Kassen beziehungsweise -Terminals in Zusammenhang mit der Self-Scanning-App von Snabble nutzen beispielsweise Filialen von IKEA und dm Drogeriemarkt, und auch in den früheren Geschäften des mittelständischen Freizeitmarkts Knauber war sie im Einsatz (Testbericht).

Das bequemste Einkaufserlebnis in dieser Hinsicht bieten jedoch Händler, bei denen gar kein gesonderter Checkout mehr notwendig ist. Kunden können ihren Einkauf in der App bezahlen und einfach das Geschäft verlassen, ganz ohne weiteren Bezahl-Vorgang an Kassen oder Terminals. Dieser „seamless Checkout“ spart nicht nur Kosten für die Kasseninfrastruktur und noch mehr Zeit fürs Personal. Er bringt auch mehr Platz auf der Fläche, der verkaufsfördernd genutzt werden kann. Andererseits kommen natürlich Softwarekosten für Apps hinzu. Einer der größten Vorteile für Händler ist der direkte Kontakt zum Kunden über das Smartphone. So können Angebote minutenaktuell und standortbezogen direkt aufs Handy geschickt werden.

Einladung zum Diebstahl? Loss Prevention-System inklusive

Eine der großen Sorgen im Zusammenhang mit Self-Checkout-Lösungen ist das Thema Diebstahl. Fällt das Scannen von einzelnen Artikeln an der Kasse weg oder können schon im Geschäft eigene Einkaufstaschen benutzt werden, verringert das möglicherweise die Hürde für Kunden, Waren einfach einzustecken und mitzunehmen, so die Befürchtung.

Bei Self-Scanning-Anwendungen werden daher häufig Barrieren eingebaut: die Produktanzahl wird beschränkt, die Artikel sollen deutlich sichtbar im Einkaufswagen platziert oder per Foto dokumentiert werden, oder die Einkäufe müssen von einem Mitarbeiter überprüft werden. Solche Maßnahmen führen natürlich nicht zu einem komplett nahtlosen Einkaufserlebnis.

Eine Lösung hierfür ist die Aufrüstung des gesamten Stores mit ausgeklügelter Kameraüberwachung und künstlicher Intelligenz, die einzelne Artikel unterscheidet; oft auch in Kombination mit Sensoren in Regalen, die durch Gewichtsveränderungen entnommene Produkte erkennen. Eine solche Lösung liefert ein besonderes Shoppingerlebnis, erfordert aber auch eine sehr aufwändige und kostenintensive Umrüstung des gesamten Stores.

Wie können Händler Self-Scanning und Self-Checkout also mit einfacheren Mitteln umsetzen und sicherer gestalten? Die Antwort einiger Hersteller: mithilfe des Einkaufswagens.

Mobile Device in Verbindung mit Einkaufswagen

Wir stellen Ihnen beispielhaft zwei verschiedene Ansätze vor:

Ein voller Einkaufswagen mit einer senkrechten Stange und einem Tablet-Display am Griff

© EDEKA Minden-Hannover

Die Lösung Easy Shopper, im Einsatz in rund 30 Edeka-Filialen in Niedersachsen, aber auch in den USA und Kanada, setzt beim Einkaufswagen an. Easy Shopper besitzt einen integrierten Barcode-Scanner. Shopper verwalten damit die Codes ihrer Produkte einscannen und den virtuellen Warenkorb über ein Touchdisplay und die App am Wagen. Anschließend packen Kunden ihre Einkäufe direkt in die eigenen Einkaufstaschen im Einkaufswagen und bezahlen an speziellen Easy Shopper-Kassen oder über die App. Zuletzt muss der Kassenbon allerdings noch an einer Kasse abgeholt werden. Mithilfe einer integrierten Kamera, die über dem Einkaufswagen befestigt ist, und eingebauten Waagen werden die Einkäufe mit den Angaben des Kunden abgeglichen.

Bizerba hingegen bietet die Self-Scanning-Lösung Supersmart an, die ebenfalls auf das Einkaufen mit einem Einkaufswagen setzt. Die Besonderheit dieser Lösung ist aber eine Art „Self-Checkout-Station“. Die Technologien zur Überprüfung des Warenkorbs stecken hier nicht im Einkaufswagen selbst, sondern der Kunde fährt den Wagen zum Bezahlen in eine Station, die mit Gewichtssensoren und Kameras ausgerüstet ist. In einem mehrstufigen Validierungsprozess mithilfe von Computer Vision, KI und Big Data prüft das System die Einkäufe und soll sogar kontinuierlich hinzulernen. Bezahlen können Kunden dann in der App.

Wann wird der seamless Checkout nun zum Einkaufserlebnis dazu gehören? Und welche Technologien werden Kunden auf dem Weg dahin bevorzugen? Wir werden das beobachten. Verschaffen Sie sich selbst einen Überblick auf der EuroCIS 2021 – The Leading Trade Fair for Retail Technology.

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