25. November 2020 | Food Service Equipment, Interview, What´s new in Retail

Kölner Start-up VYTAL entwickelt erstes digitales Mehrwegverpackungssystem

von Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

Ein junger Mann im Polohemd vor einem grünen Hintergrund

© VYTAL

Auf dem Heimweg noch ein To-Go-Gericht in einer Einwegverpackung aus Pappe oder Plastik? Eine bequeme Lösung, die vor allem aus Innenstädten nicht mehr wegzudenken ist. Das muss doch umweltfreundlicher gehen, dachten sich die Gründer von VYTAL. Und kreierten ein digitales und pfandloses Mehrwegsystem für Take-Away, Delivery und Convenience Food.

Wir sprachen mit Tim Breker, Geschäftsführer und Mitgründer des Start-ups VYTAL, darüber, wie die Mehrweglösung funktioniert, inwiefern Händler davon profitieren und wohin die Reise noch geht.

Tim, warum begeistert ihr euch gerade für ein Mehrwegsystem?

Convenience-Artikel, To-Go-Speisen, Lieferessen – das sind massive Trends, die unserer Einschätzung nach anhalten werden. Nicht zuletzt durch die Corona-Krise hat die damit verbundene Verpackungsmüllproduktion große Aufmerksamkeit erhalten.

Und gerade deshalb sehen wir hier eine sehr große Daseinsberechtigung für Mehrweglösungen. Sicher, in einigen Fällen werden Einwegartikel immer die bessere Lösung sein. Aber wenn Lebensmittel in Gastronomie oder Handel an Salattheken, heißen Theken, Pasta-Bars, aber auch bei Refill-Stationen mit loser Ware und in Unverpackt-Abteilungen frisch zubereitet werden – in solchen Anwendungsfällen haben Mehrwegverpackungen einen natürlichen Platz. Wir sehen eine steigende Nachfrage aus vielen Segmenten für unsere Lösung.

Zwei Smartphones, eines mit einem QR-Code

© VYTAL

Wie funktioniert die Lösung für Konsumenten?

Unser digitales Mehrwegsystem basiert auf einer App. Konsumenten registrieren sich in der VYTAL-App und sehen dann, bei welchen Partnern – Händlern oder Gastronomen – es unsere Mehrwegschalen gibt. Der Download und die Nutzung sind kostenlos. Holt sich der Kunde in einem Partnerladen eine Speise in der VYTAL-Schale, wird sowohl sein persönlicher QR-Code auf dem Smartphone als auch der auf der Schale gescannt. Anschließend hat der Konsument 14 Tage Zeit, die Schale in einem der Partnerläden wieder zurückzugeben ohne weitere Kosten. Wird der Zeitraum allerdings überschritten, werden ihm über die hinterlegten Zahlungsdaten zehn Euro Strafgebühr abgebucht, damit erwirbt er die Schale.

Möchte ein Händler an eurem Mehrwegsystem teilnehmen, was kommt auf ihn zu?

Unsere teilnehmenden Partner laden sich die Partnerversion der App herunter, ebenfalls kostenlos. Sie zahlen pro Befüllung einer Schale einen Betrag an uns, so wird das System finanziert. Momentan sind das für eine normalgroße Lunch-Bowl 20 Cent.

Einzige Voraussetzung für teilnehmende Händler ist, dass sie die Schalen selbst spülen. (Hier gibt es nur vereinzelte Ausnahmen, für Rewe-Märkte beispielsweise bieten wir einen separaten Spülservice.)

Unsere App läuft auf iOS- oder Android-Geräten, Partner brauchen also lediglich ein handelsübliches Mobile Device, das wir auch leihweise zur Verfügung stellen können. Nach dem Onboarding erhalten sie von uns die Schalen und etwas Marketing-Material und dann sind sie auch schon innerhalb von ein paar Tagen startklar.

Eine Mehrwegschale von VYTAL an einer Salattheke

Mehr als 30.000 Schalen aus Polypropylen sind im Umlauf. Nach der zehnten Benutzung sei die Ökobilanz positiv, erklärt Tim Breker, und der Hersteller garantiere 200 Nutzungszyklen. Über das digitale System entstehe über die Nutzung eine Live-Transparenz. © Rewe

 

Mit einigen Händlern arbeitet ihr schon zusammen.

Richtig, wir haben sowohl Rewe-Märkte als auch Edeka-Märkte und Basic-Biomärkte, aber auch kleinere Unverpacktläden beispielsweise als Partner. Typische Anwendungsfälle sind Salattheken, heiße Theken und In-Store-Gastrokonzepte.

Warum sollten Partner in Handel und Gastronomie bei VYTAL einsteigen?

Eine Mehrwegschale von VYTAL auf einer Supermarktwaage

Das Tara der Schale ist an der Kasse hinterlegt und die Ware wird gewogen. © Rewe

Zum einen sparen sie Einwegverpackungen, was für die Umwelt gut ist. Es entlastet aber auch den Geldbeutel, denn Einwegverpackungen – gerade vermeintlich biologisch abbaubare – sind ziemlich teuer geworden.

Menschen sind bequem, eine Verhaltensänderung braucht oft einen starken Anreiz. Wie überzeugt ihr Konsumenten von der Lösung?

Indem wir Mehrwegverpackungen so einfach, bequem und kostenlos nutzbar machen wie Einweg, aber mit noch mehr Vorteilen versehen wie höherwertigen Verpackungen und zusätzlichen digitalen Services. Hier kommt uns auch zugute, dass die Dringlichkeit des Themas nachhaltiger Lösungen und Verpackungsvermeidung steigt.

Unsere Partner sind natürlich auch ein positiver Faktor, viele von ihnen stehen mit viel Begeisterung hinter dem System und tragen das an ihre Kunden weiter.

Und schließlich ist unsere Nutzer-App ist ein sehr effektives Motivationswerkzeug, denn damit haben wir einen direkten Kommunikationsweg zum Konsumenten und können ihn für seine Verhaltensänderung belohnen.

Auf eurer Homepage sehe ich, dass ihr aktuell 445 Partner habt, über ganz Deutschland verteilt. So richtig attraktiv wird das System für Konsumenten doch erst, wenn sie genug Angebote in ihrer Umgebung finden, oder?

Jein.

Es stimmt natürlich, dass die Stärke des offenen Systems im Netzwerkeffekt liegt: Je mehr Partner mitmachen, je mehr Optionen der Konsument hat, um Schalen auszuleihen und zurückzugeben, desto attraktiver wird das Prinzip.

99 Prozent der Schalen werden rechtzeitig zurückgegeben, sagt Tim Breker, im Schnitt sogar innerhalb von drei Tagen. © VYTAL

Es gibt aber auch Anwendungsfälle, die zeigen, dass das System auch ohne ein dichtes Netzwerk viele Vorteile bringt. Neben der städtischen Gastronomie haben wir auch Betriebskantinen im Partnernetzwerk. Hier zeigen Beispiele, dass das System sehr gut ankommt. Mitarbeiter eines Betriebs holen sich in der Kantine, im nahegelegenen Supermarkt oder Restaurant ihr Mittagsessen in der VYTAL-Schale. Wenn sie nicht aufgegessen haben, können sie die Reste in der auslaufsicheren und mikrowellengeeigneten Schale mit nach Hause nehmen und am nächsten Tag wieder bringen. An den Arbeitgeber vermieten wir Rückgabeboxen, in denen die Mitarbeiter ihre benutzten Schüsseln abgeben können, ohne sie selbst zum ursprünglichen Partner zurückbringen zu müssen.

Aber natürlich bleibt unser großes Ziel zu expandieren und das Netzwerk zu verdichten. Wenn man ein globales Mehrwegsystem aufbauen will – und das ist unsere Ambition, weil Verpackungsmüll ein globales Problem ist – dann gibt es, unserer Ansicht nach, keinen besseren Ort als Deutschland um zu starten. Deutschland mit seiner jahrzehntelangen Mehrweg-Erfahrung kann hier Vorreiter sein, weil die Konsumenten für das Thema Mehrweg schon sehr sensibilisiert sind.

Apropos Ziele: Welche Pläne habt ihr noch für das System?

Wir erweitern die digitale Produktfunktionalität permanent, beispielsweise kann man jetzt über die App Essen vorbestellen oder liefern lassen – in VYTAL-Schalen natürlich.

Und jegliche andere Mehrwegverpackung lässt sich prinzipiell in unser System einbinden, das müssen nicht nur Bowls sein. Momentan pilotieren wir Sushi-Verpackungen und Kaffeebecher, Pizza-Verpackungen sind in Planung.

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