9. Dezember 2020 | Retail Technology, Shopping Today

Chancen für Händler liegen in der lokalen Suche

von Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

„Okay Google, wo finde ich den nächsten Supermarkt?“ oder „Alexa, bestell mir neue Batterien für meine Taschenlampe.“ Smart Speaker und digitale Assistenten werden immer mehr zu alltäglichen Helfern. Statt mit Texteingabe lassen sie sich mit der Stimme steuern. Das gilt auch für das Suchen und Shoppen im Web und nennt sich dann Voice Search beziehungsweise Voice Commerce.

Wir geben Ihnen einen Überblick: Wie groß ist das Potenzial dafür im Handel? Wo liegen die Schwierigkeiten? Und wie können sich Händler und Anbieter auf diese nächste Stufe des Commerce einstellen?

Steigende Nutzung von Voice Search

Die Nutzung von digitalen Sprachassistenten gewinnt Relevanz, auch für die Suchfunktion. Laut Google führen aktuell 27 Prozent der Weltbevölkerung Suchen auf Mobilgeräten per Sprache durch. eMarketer stellte für die USA 2019 darüber hinaus fest, dass ein Drittel der Bevölkerung Voice Search benutzt, Tendenz steigend.

Eine Grafik zu Sprachassistenten und deren Antwortqualität

Generell gilt: Je mehr Konsumenten die Anwendungen nutzen, desto besser werden sie. Besonders auf Englisch und Deutsch haben digitale Sprachassistenten bei Verständnis- und Antwortkompetenz spürbar zugelegt. Der Anteil nicht beantworteter Fragen, stellt SEMrush in seiner Studie zur Voice-Suche 2020 fest, liegt mit durchschnittlich 6,3 Prozent sehr niedrig. (Amazons Alexa hebt den Schnitt deutlich, ist aber für viele getestete Suchanfragen auch gar nicht ausgelegt.) // © SEMrush

Und auch in Deutschland zeigt sich ein deutlicher Trend, was die allgemeine Nutzung von Sprachassistenten angeht, wie die ‚Postbank Digitalstudie 2020‘ feststellt. Demnach nutzen 45 Prozent der Deutschen digitale Sprachassistenten, ein Jahr zuvor waren es 32 Prozent.

Und auch bei Konsumenten über 40 gewinnt dieses Medium an Beliebtheit: „Den Älteren, die nicht mit digitalen Geräten groß geworden sind, liegt die Nutzung von Sprachassistenten deutlich näher. Tippen, Scrollen und wischen wird eher als umständlich empfunden“, erklärt Thomas Brosch, Chief Digital Officer bei der Postbank. Für jüngere Nutzer zählt vor allem der Vorteil, dass per Sprachassistent Funktionen ‚freihändig‘ ausgeführt werden können, ohne zu unterbrechen, was man gerade tut.

Wie und was wird per Sprache gesucht?

Dadurch, dass gesprochen statt geschrieben wird, verändert sich auch die Art des Suchens. Daraus ergeben sich Konsequenzen für das Einkaufsverhalten per Sprache, die bei der Erstellung und Optimierung der Voice-Commerce-Angebote zu beachten sind:

  • Konsumenten sprechen mit ihren digitalen Assistenten wie mit echten Personen. Im Conversational Commerce – egal ob schriftlich oder mündlich – werden Fragen oder Anliegen vermehrt in ganzen Sätzen formuliert.
  • Informationen und Suchergebnisse werden vom Assistenten vorgelesen. Das bedeutet, Inhalte müssen beim Hören verständlich sein. Bilder oder Grafiken nützen hier wenig.
  • Kurze und konkrete Antworten hingegen werden als nützlich empfunden.
  • Da digitale Sprachassistenten oft ohne Bildschirm genutzt werden, bevorzugen Kunden bei Suchergebnissen kurze Listen mit den passendsten Ergebnissen statt ausführlicher Übersichten.
  • Statt ausgiebig nach neuen Artikeln zu ‚bummeln‘, werden mit Sprachassistenten eher bereits bekannte Produkte nachgekauft.
  • Außerdem suchen Konsumenten über diesen Kanal bisher eher nach Lösungen oder Produkten für konkrete Anliegen statt nach breiter Inspiration.

Wie optimiere ich mein Onlinebusiness für Voice Commerce?

Wie kann ich mein Geschäft also dahingehend ausrichten, dass ich für Voice Search und Voice Commerce gut aufgestellt bin? Wir geben einige Anregungen dazu.

Eine Grafik zu Sprachassistenten und deren Datenquellen

© SEMrush

Suchmaschinenoptimierung für Voice Search

  • Beantworten Sie häufig gestellte Fragen Ihrer Kunden, in dem Sie entsprechende Inhalte erstellen.
  • Optimieren Sie Ihre Seite für die jeweiligen Suchmaschinen des Google Assistant, von Siri für Apple und Alexa von Amazon. Tipps dazu gibt es unter anderem bei t3n und SEMrush.
  • Halten Sie Ihre Online-Business-Einträge zum Beispiel bei Google und Yelp aktuell und vollständig.
  • Beobachten Sie Ihre Online-Bewertungen, reagieren Sie auf negative und sammeln Sie aktiv positive Rezensionen ein.

Auch Onlineshops und ihre Funktionen müssen dann natürlich für Voice Commerce optimiert werden. Wie Produkte vorgeschlagen werden, wie präzise Kunden per Sprachsteuerung Ergebnisse filtern können und wie zielgerichtet das Onlineangebot auf den einzelnen Konsumenten ausgerichtet ist – diese und viele weitere Punkte gewinnen an Bedeutung.

Voice Commerce Use Cases häufig noch in den Kinderschuhen

Ein großes Thema – vor allem in Europa und Deutschland – ist rechtlich und technisch noch zu klären: Wie können sich Kunden identifizieren, beispielsweise mittels Stimme oder Gesichtserkennung, und so auch sicher ihre Zahlung per Voice Assistant veranlassen? Eine entsprechende Lösung im Bereich Voice Commerce in Europa bietet, laut Deloitte-Studie ‚Beyond Touch: Voice Commerce 2030‘, bisher nur Amazon an, anders als beispielsweise in den USA, wo Händler Voice-Bestellungen auch über den Google Assistant ermöglichen. Deutsche und europäische Angebote dienen hauptsächlich dem Informationsaustausch.

So hat Rewe 2017 die Voice Assistentin ‚Caro‘ auf den Markt gebracht. Sie schlägt Kochrezepte vor und stellt den Timer ein. Für die Einkaufsliste gibt es noch den ‚REWE Assistant‘. Bei HIT Sütterlin in Aachen bekommen Kunden über Alexa die Angebote der Woche vorgelesen. MediaMarkt bietet über den Google Assistant unter anderem eine TV-Produktberatung mittels Sprachsteuerung an.

Reifendirekt.de, ein Online-Shop der Delticom AG hingegen, entwickelte einen Alexa-Skill über den Kunden bei Amazon Reifen bestellen und per Amazon Pay bezahlen können. Ein internationales Beispiel ist Flipkart, ein indischer Onlineversandhändler, 2018 von Walmart gekauft: Bei diesem Voice Assistant wird der komplette Kaufprozess per Sprache auf Hindi oder Englisch durchgeführt.

Global Player versus Local Heroes: Risiken und Chancen für Händler

Wie so oft bei neuen Technologien und Marktveränderungen gilt: Es ergeben sich dadurch für die Akteure Risiken wie Chancen.

Eine Grafik zu Sprachassistenten und deren Marktanteilen

© SEMrush

Den weltweiten Markt bei digitalen Sprachassistenten führen die drei Tech-Giganten Amazon, Google und Apple an. Deloitte warnt in seiner Studie, dass Händler und Hersteller „zwangsläufig einen erheblichen Teil ihres Kundenzugangs [abgeben], wenn die Anbieter der Technologie […] den Kontakt zum Verbraucher herstellen.“

In ihrem Blog weist die Firma SEMrush in Bezug auf ihre Studie ‚Voice-Suche 2020‘ darauf hin, dass 58 Prozent der Voice-Search-Nutzer weltweit nach lokalen Unternehmen suchen. Und laut Google kontaktieren 60 Prozent der Smartphone-User ein Business über die Google-Suchergebnisse. Hier ergibt sich für Händler und Anbieter also die Chance, im Anschluss an die erste Suche den direkten Kundenkontakt herzustellen.

Durch die Art der Nutzung von Sprachassistenten und der Verknüpfung vieler Funktionen auf mobilen Endgeräten und Smart Speakern werden aber auch viele Daten über die Verbraucher generiert. Erkenntnisse über Nutzerverhalten und Such-Kontexte ermöglichen eine noch bessere Personalisierung der Angebote. Ein aktuelles Beispiel dazu: Google setzt seit diesem Jahr Suchanfragen von Nutzern in den jeweiligen Kontext vorheriger Suchanfragen (Meldung) und will damit Suchergebnisse verbessern. Auch Walmart wirbt damit, dass Produkte zur Einkaufsliste auf Basis der Kaufhistorie hinzugefügt werden; so reicht die Anweisung „Milch“ und es wird die bevorzugte Sorte gekauft. Deloitte schätzt die Chancen für Unternehmen so ein: „Durch eine rechtzeitige Verschiebung des Marketingbudgets in Richtung Recommender Marketing [wie Produktempfehlungen] kann dies aber langfristig sehr positive Auswirkungen haben – zum Beispiel durch ein zwar kostenintensives, aber effektives Targeting.“

Noch finden sich wenige Beispiele und Erfahrungsberichte von Händlern für Voice Commerce, was zeigt, dass diese Technologie in der praktischen Anwendung noch in den Kinderschuhen steckt. Das Potenzial für diese Art des Commerce ist aber sicher groß, denn das Einkaufen per Sprache ist bequem und intuitiv, die Bezahlung rückt dabei in den Hintergrund – und das verspricht Erfolg.

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