Das im Frühjahr 2020 von der Bundesregierung verabschiedete Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für Elektromobilität, das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG), stellt den Handel aktuell vor Herausforderungen, so Lars Reimann, Abteilungsleiter Energie– und Umweltpolitik beim Handelsverband Deutschland zu Beginn der Session. Bei einer 1:1-Umsetzung, wie sie das Bundeskabinett abgesegnet hat, muss ab März 2021 in Nichtwohngebäuden bei Neubauten oder Renovierungen der elektronischen Infrastruktur (bzw. mehr als 25 Prozent der Gebäudehülle) ab 10 Stellplätzen jeder fünfte Stellplatz mit Schutzrohren für Elektrokabel ausgestattet werden. Zudem muss eine Ladestation vorhanden sein.

Auto, das an einer Ladestation angeschlossen ist; copyright: IciakPhotos

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Anders sieht die Situation für Bestandgebäude aus: Hier wird erst im Jahr 2025 ab 20 Stellplätzen eine Ladestation für Elektrofahrzeuge erwartet, Leerrohre sind hingegen nicht erforderlich. Aktuell verhandeln SPD und CDU über eine ambitioniertere Umsetzung, die bei Neubauten und Renovierungen u. a. bereits ab fünf Stellplätzen zwei Ladestationen vorsieht und für jedem dritten Stellplatz Lehrrohre fordert. Zugleich sollen Flexibilisierungsmöglichkeiten eingebaut werden. Derzeit laufen die Verhandlungsgespräche, so Reimann.

Energiewende bedeutet mehr als „Ladesäulen”

„Energiewende bedeutet mehr, als ein paar Ladesäulen zu errichten“, meint Simon Köppen, Sales Expert Project Solutions bei Digital Energy Solutions. Als Joint Venture von BMW und Viessmann gestartet und nun 100-prozentige Tochter von Viessmann, beschäftigt sich das Unternehmen mit den Fragen, wie die Zukunft des Energiemarktes aussieht und wie sich Energie speichern und nutzen lässt. „Ladesäulen sind beim Thema Digitale Energiewende nur ein Bestandteil der Gesamtsituation“, sagt Köppen. So gibt es neben Ladelösungen auch Photovoltaik- und Speicherlösungen. Photovoltaikanlagen bieten dem Handel die Möglichkeit, den notwendigen Netzbezug zu reduzieren. Dadurch reduzieren sich die Lastspitzen tagsüber. Für die Abendstunden, in denen es zu Problemen und damit zum Netzbezug kommen kann, empfiehlt das Unternehmen daher den zusätzlichen Einsatz eines Batteriespeichers, um zeitlich flexibel zu bleiben. Dieser wird unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen aktiv bewirtschaftet: Auf Basis von Prognosen über Strompreise, -erzeugung und Lastgänge wird ein Algorithmus erstellt – der „Ladefahrplan“ für den Speicher. Auf diese Weise ließen sich Stromverbrauch und -erzeugung harmonisieren.

Mit der wachsenden Bedeutung von E-Mobilität steigt auch die Nachfrage an Ladestationen für E-Autos und damit der Anspruch an die Effizienz der Ladepunkte. Wie geeignet ein Standort für Ladestationen ist, lässt sich u. a. anhand der Anzahl der passierenden Kunden und PKWs am Tag sowie der Einwohnerzahl in Abhängigkeit zur Bevölkerungsdichte bemessen. „Ladeinfrastruktur hat viele Herausforderungen und bedeutet mehr, als einfach eine Hardware zu installieren“, erklärt Tobias Sailer von En BW, die über gut 50 Prozent des Ladenetzes des österreichischen Ladeinfrastruktur-Provider Smartrics verfügen und in dieses investieren. Laut Smartrics steigt vor allem das Ladeaufkommen in urbanen Umgebungen. „Es macht Sinn, in Standorte zu investieren, die eine hohe Aufenthaltsqualität bieten, beispielsweise Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitaktivitäten, da man beides kombinieren wird“, ist sich Jürgen Halasz von Smartrics sicher. Auch der Platzbedarf spiele eine Rolle bei der Auswahl der Standorte für Ladestationen. Besonders geeignet seien im urbanen Raum HPC-Anlagen, die über 150 kW und mehr verfügen.

Einheitliche Zahlungsmethoden

Eine weitere Herausforderung beim Ausbau von Ladestationen stellt ein einheitliches und transparentes Bezahlsystem dar. Für den Handel ist besonders wichtig, das Laden mit dem täglichen Business verknüpfen zu können, Cross Selling-Möglichkeiten und Loyalty-Angebote anzubieten und nicht an einen Netzbetreiber gebunden zu sein, sagt Frank Edunjobi vom Zahlungsdienstleister CCV. Tank & Rast beispielsweise setzt von Eon betriebene Ladesäulen verschiedener Hersteller ein. Von der Kaffeemaschine bis zu den Drehkreuzen sind Terminals des Zahlungsdienstleisters installiert, so dass dessen verschiedenen Dienstleistungen überall miteinander verbunden werden können. So werden auch Loyalty-Maßnahmen über die Terminals abgewickelt. Gezahlt werden kann via Girocard oder Kreditkarte, Apple Pay oder Google Pay.

Welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um Ladestationen an Filialen bereitstellen zu können und welche Anforderungen der Handel an die E-Mobilität stellt, schilderte Tobias Scharfen vom Backend-Providers Has to be. Dabvon ausgehend, dass 40 Prozent der Ladevorgänge zuhause stattfinden werden, ebenfalls 40 Prozent bei der Arbeit und 20 Prozent in der Öffentlichkeit, prognostiziert Scharfen, dass es einen relevanten Anteil am sogenannten Destination Charging geben wird, d. h. an Zielen, an denen der Nutzer eine längere Zeit verbringt, z. B. beim Einkaufen. Durch Bereitstellung eines Ladeangebots kann der Handel das Kundenerlebnis steigern, Loyalitätsangebote bieten und mehr Umsatz generieren, aber auch die Kundenfrequenz z. B. durch Tarife u. a. hinsichtlich bestimmter Uhrzeiten steuern. Wichtig ist seiner Meinung nach, von Beginn an in eine hardware-neutrale Backend-Software zu investieren, die mit der Ladestation kommunizieren kann, um sie aus der Ferne steuern zu können. Diese sollte darüber hinaus u. a. DSGVO-konform sein, direkte Bezahlmöglichkeiten bieten und dementsprechend eichrechtskonform sein. Darüber hinaus sollte das System sehr skalierbar sein, wenn Handelsunternehmen ihre Elektromobilität international bereitstellen möchten..