23. Juni 2021 | Energy Management, Interview, Shopping Today

Mit künstlicher Intelligenz den ökologischen Fußabdruck von Bäckereien verbessern

von Elisa Wendorf (exklusiv für EuroShop.mag)

Täglich frische Backwaren: der Kunde freut sich – die Umwelt nur bedingt. Nicht verkaufte Ware wird am Ende des Tages entsorgt, für Produktion und Lagerung wird unnötige Energie verbraucht. Durch intelligente Planung kann dieser Lebensmittel- und Ressourcenverschwendung jedoch entgegengewirkt werden. Im Rahmen des EIT Food-Projekt PrO4Bake sollen mithilfe von künstlicher Intelligenz die täglichen Abläufe von Bäckereien optimiert werden. Koordiniert wird das Projekt von der Universität Hohenheim.

Foto von Frau Parrag

Viktória Parrag //© Adrienn Hillebrand

Wir haben mit Viktória Parrag, PhD, von Campden BRI Hungary, Dienstleister in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, gesprochen und sie dazu befragt, wie künstliche Intelligenz bei der Sortimentsplanung in Bäckereien unterstützen und somit Umweltbelastungen vorbeugen kann.

Bäckereien sind ein klassisches Paradebeispiel für den rein stationären Handel. Warum sollte auch hier digitalisiert werden?

Viktória Parrag: Etwas mehr als die Hälfte aller Lebensmittelunternehmen in der EU sind Bäckereien, fast alle davon kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Diese Betriebe tun sich mit der Einführung neuer Technologien, einschließlich Digitalisierung oder energiesparender Lösungen, oft schwer. Zudem zeichnet den Bäckereisektor ein besonders hoher Energieverbrauch aus.

KMU-Bäckereien produzieren eine große Vielfalt an Produkten mit unterschiedlichen Größen, Zubereitungs- und Backzeiten. Das ganze passiert bei teils hohen Temperaturen. Für die Produktionsplanung müssen diese Punkte in eine optimale Reihenfolge gebracht werden, wobei mehrere Faktoren zu berücksichtigen sind: der Einsatz von Energie, die Maschinenkapazität und Arbeitskraft sowie die variierende Nachfrage der Konsumenten. Diese Komplexität kann mitunter zu unnötiger Lebensmittelverschwendung führen, wenn das Angebot falsch kalkuliert wird und so die Nachfrage übersteigt.

Bisher beruht die Produktionsplanung in mittelständischen Bäckereien auf der Erfahrung der Bäcker, die sich im Laufe der Jahre einen bestimmten Plan erarbeitet haben. Ein Computer hingegen kann in kurzer Zeit eine riesige Anzahl verschiedener Kombinationen durchrechnen, um den effizientesten Produktionsplan zu finden. Hier ist die Leistungsfähigkeit der entscheidungsunterstützenden Vorhersagen durch spezielle Software-Tools weit besser als die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns.

Das Computermodell PrO4Bake soll die Arbeitsabläufe in Bäckereien optimieren. Inwieweit kann durch das Modell sowohl die wirtschaftliche als auch die ökologische Effizienz gesteigert werden?

In unserem Projekt PrO4Bake entwickeln wir ein Modell, in dem die Arbeitsabläufe für die Herstellung verschiedener Backwaren in einer Bäckerei simuliert werden. Der entscheidende Ansatz ist hierbei, zu optimieren in welcher Reihenfolge der Bäcker die einzelnen Produktionsschritte zur Herstellung seines Sortiments durchführen sollte, um möglichst effizient zu arbeiten. Der Produktionsprozess kann im Modell für verschiedene Faktoren optimiert werden, um beispielsweise die Leerlaufzeit der Öfen so kurz wie möglich zu halten. Das Hochheizen der Öfen gehört mitunter zu den energieintensivsten Prozessen in den Backstuben mittelständischer Bäckereien. Optimiert man deren Auslastung können sowohl die Produktionskosten als auch CO2-Emissionen verringert werden.

Der zweite Fokuspunkt des Projekts ist die Verkaufsplanung: Hier nutzen wir künstliche Intelligenz, um Vorhersagen hinsichtlich des zu erwartenden Produktbedarfs zu treffen. Neben der Planung des Bäckers fließen hier noch weitere Faktoren, wie Ferienzeiten oder das Wetter, mit ein. Damit soll eine Überproduktion vermindert werden. Die Bäckerei spart so Kosten für die  Zutaten. Gleichzeitig wird die Menge an Lebensmittelabfällen, der Energieverbrauch, die Arbeitskraft und die Betriebszeit der Geräte, die bei der Produktion eingesetzt werden, reduziert. Die wirtschaftliche und ökologische Effizienzsteigerungen gehen so Hand in Hand.

Würde der Energieverbrauch aller Bäckereien um zehn Prozent gesenkt werden, wie es durch den Einsatz des im PrO4Bake-Projekt entwickelten Tools erwartet wird, könnten so in einem Jahr bis zu 760 Millionen Euro an Energiekosten in der EU-Bäckereibranche eingespart werden – und das ohne zusätzliche Investitionen. Außerdem tragen wir so zur Vorbereitung der Lebensmittelbetriebe auf elektronische Datenerfassung für detailliertere Analysen bei, auf denen wiederum andere fortschrittliche digitale Lösungen aufbauen können.

Welche (technischen) Voraussetzungen müssen Bäckereien mitbringen, um die Anwendung zu nutzen?

Im Prinzip keine, da man alle Daten manuell sammeln und eingeben kann. Der Aufwand ist allerdings erheblich geringer, wenn schon eine gewisse Automatisierungsinfrastruktur besteht. Die Einführung moderner digitaler Technologien bei KMUs erfordert professionelles Fachwissen, um lokale Hürden zu überwinden. Deshalb wird die Implementierung des Tools durch Schulungen und Beratungsleistungen unterstützt. So soll sichergestellt werden, dass die Bäckereien die bestmöglichen Ergebnisse erzielen.

Wäre das Modell auch auf in anderen Branchen einsetzbar?

Das Tool kann in jeder Branche der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden. Voraussetzung: Während einer Arbeitsschicht werden mehrere Arten von Produkten hergestellt und bei dieser Herstellung muss die Einstellung der eingesetzten Maschinen geändert werden, weil beziehungsweise eine Reinigung der Geräte zwischen zwei Produktionen erforderlich ist. Die Bedarfsprognosefunktion ist besonders nützlich bei sich schnell verändernder Verbrauchernachfrage und bei Produkten mit kurzer Haltbarkeitsdauer.
KI kombiniert eine große Menge an Daten mit schneller, iterativer Datenverarbeitung und intelligenten, lernfähigen Algorithmen, um immer bessere Auswertungen zu ermöglichen und so komplexe Probleme zu lösen. Die Modelle können trainiert werden, um Muster und Merkmale in den Daten zu erkennen und daraus zu lernen. Dann können Sie auf spezifizierte, reale Fälle und Probleme angewandt werden. Die Implementierung dieser Technologien kann ein “Blueprint” für die Anwendung in weiteren Branchen sein.

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