14. Juli 2021 | Food Service Equipment, Interview, What´s new in Retail

REWE leitet neue Generation grüner Märkte ein

von Elisa Wendorf (exklusiv für EuroShop.mag)

Regional, ressourcenschonend, richtungsweisend – agiert der Einzelhandel so, danken Umwelt und mittlerweile auch viele Kunden. Die Einzelhandelskette REWE hat in Wiesbaden einen nachhaltigen Green Farming-Markt eröffnet, die hierfür auf viel Holz und eine Dachfarm setzt.

Raimund Esser, Leiter der REWE Unternehmenskommunikation, hat uns erzählt, wie genau das aussieht und was das neue Ladenkonzept von gängigen Supermärkten unterscheidet.

Herr Esser, warum kommt die Einzelhandelsbranche heutzutage an dem Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbei? 

Raimund Esser: Für immer mehr Kunden spielt das Thema Nachhaltigkeit beim Einkauf eine größere Rolle. Darüber hinaus wird auch die Vermarktung von regionalen und lokalen Produkten immer wichtiger. Ob und wie ein Unternehmen nachhaltig arbeitet und das Sortiment danach ausrichtet, wird zunehmend zu einem entscheidenden Kriterium bei der Wahl der Einkaufsstätte.

Sie machen das mit einem neuen „grünen“ Supermarkt. Was zeichnet ihn aus?

Im neuen Green Farming-Markt geht es nicht nur um die Führung eines nachhaltigen Sortiments, sondern auch um die nachhaltige Bauweise und Betreibung des Marktes. Neben dem breiten Angebot von rund 160 regionalen und lokalen Lieferanten werden ausgewählte Lebensmittel in der Green Farming-Filiale nicht nur verkauft, sondern zusätzlich ressourcenschonend vor Ort produziert. Hierfür werden auf der eigenen Dachfarm Fische und Basilikum gezüchtet und direkt im Markt sowie in der Umgebung vertrieben. Dadurch werden Transportwege enorm verkürzt, Plastik eingespart und das Angebot frischer Produkte erweitert.

Mann in hellblauem hemd lächelt in die Kamera

Raimund Esser // © REWE Group

Inwieweit wurde das Thema Ressourcenschonung in der Bauweise und Einrichtung der Filiale umgesetzt?

Das Gebäude besteht weitgehend aus dem nachwachsenden Naturmaterial Holz, das 700 Tonnen CO2 einspeichert. In dreißig Jahren wiederum ist das heimische Nadelholz wieder nachgewachsen und die CO2-Bilanz somit ausgeglichen. Optisch verleiht eine Holzsäulen-Architektur dem Markt ein Marktplatz-Ambiente mit viel Tageslicht – durch das gläserne Dach können Kunden im Markt direkt auf die Dachfarm hinaufblicken. Zudem spart der Markt eine Menge Ressourcen ein, etwa durch Intelligente Kühl- und Wärmetechniken, die einhundertprozentige Verwendung von Grünstrom sowie von Regenwasser für die Dachfarm, Gebäudereinigung und Sanitäranlagen.

Zudem bietet der Markt ein neuartiges Parkplatzlayout: Die Parkplätze sind in einem Kreis angelegt. Dadurch wurden versiegelte Flächen reduziert – zusätzliche Grünflächen sowie eine Blühwiese bieten so mehr Lebensraum für Insekten.

Umweltschutz hat viele Aspekte. Was war Ihnen besonders wichtig?

„Green Farming“ orientiert sich an dem Konzept „ganzheitlich nachhaltig Bauen“ – einem Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB). Im Einzelnen werden dabei fünf nachhaltige Kriterien berücksichtigt. Zu diesen zählen zunächst ökologische Faktoren: Diese erfüllen wir mit „Green Farming“ durch CO2-neutralen Betrieb, das Holztragwerk, die hervorragende Ökobilanz des Bauwerks, Regenwassernutzung, Reduzierung versiegelter Flächen und eine naturnahe, insektenfreundliche Begrünung. Des Weiteren beinhaltet das Konzept ökonomisch Aspekte: Diese deckt „Green Farming“ durch die Sekundärverwertbarkeit, Nachnutzbarkeit und Werthaltigkeit der verbauten Produkte und Bauteile ab. Im Hinblick auf soziokulturelle Kriterien bietet die Filiale einen visuellen und thermischen Komfort, eine gute Innenluftqualität, eine weitgehende Barrierefreiheit sowie besondere Fahrradstandflächen. Durch die Bauqualität und Langlebigkeit des Gebäudes erfüllt der Markt auch die technischen Qualitätsstandards. Die Prozessqualität generiert der Markt schlussendlich durch transparente und nachvollziehbare Projektprozesse.

Wie funktioniert die Produktion auf der Dachfarm?

Auf der Dachfarm werden zwei ressourcenschonende Kreisläufe miteinander gekoppelt: der Aquakulturkreislauf der Fischproduktion und der Hydroponikkreislauf der Pflanzenproduktion, auch Aquaponik genannt. Durch den Einsatz dieses Kreislaufsystems werden bei der Lebensmittelproduktion im Gegensatz zur herkömmlichen Landwirtschaft neunzig Prozent weniger Wasser verbraucht. Wöchentlich werden vor Ort circa 14.000 Töpfe Basilikum plastikfrei verpackt, dadurch werden jährlich bis zu zwölf Tonnen Kunststoffmüll vermieden.

Zusätzlich werden rund 20.000 Buntbarsche in Bassins auf circa 230 Quadratmetern unter nachhaltigen Bedingungen gezüchtet und noch vor Ort verarbeitet. Monatlich entsteht so bis zu einer Tonne verkaufsfähiger Fisch. Die Ausscheidungen der Fische dienen wiederum als Dünger für das Basilikum. Beim Kräuteranbau werden keinerlei Pestizide verwendet. Das Basilikum ist bereits seit Ladeneröffnung erhältlich und wird zusätzlich in 480 REWE-Märkte in Hessen und Rheinland-Pfalz geliefert. Der Fisch kommt voraussichtlich Ende 2021 in den Handel.

 

Welche weiteren innovativen Services erwarten Kunden im Green Farming-Markt?

Ein besonderes Merkmal des Green Farming-Marktes ist das Besucherzentrum „BasilikumQuelle“ im ersten Obergeschoss. Interessierte Kunden können hier alles über das „Aquaponik“-Farmsystem auf dem Dach, den Pflanzenanbau (Hydroponik) und die Fischzucht (Aquakultur) erfahren.

Im Laden selbst erwartet Kunden eine Vielzahl an lokalen, regionalen und Bio-Produkten, außerdem gibt es eine UnverpacktStation. Vor dem Eingang können lokale Lieferanten ihre Produkte an den zum Markt gehörenden Ständen wie auf dem Wochenmarkt anbieten. Eine gläserne Metzgerei mit Showküche bietet Fleisch aus Tierwohlhöfen an, Kunden können beispielsweise bei der Zubereitung der selbstgemachten „Basilikum-Bratwurst“ zusehen.

Neben dem großen Frischesortiment stehen Kunden neue digitale Services zur Verfügung. So bietet „Scan&Go“ die Möglichkeit, Produkte selbst per App oder Handscanner zu scannen und an den Expresskassen zu bezahlen. Ein REWE-Abholservice bietet die Möglichkeit des schnellen und kontaktreduzierten Einkaufs. So können online bestellte Produkte fertig zusammengestellt im Markt abgeholt werden. Dafür stehen eigene Parkplätze und Kassen zur Verfügung. Außerdem gibt es Ladesäulen für E-Autos und -Bikes.

Planen Sie bereits weitere Green Farming-Supermärkte? 

REWE baut seit 2009 Green Building-Märkte. Die Filiale in Wiesbaden-Erbenheim ist dabei der erste Supermarkt in Europa, der Lebensmittel ressourcenschonend auf dem eigenen Dach produziert.

Aktuell hat REWE über 200 Green Building-Märkte in ganz Deutschland, die mit Photovoltaik-Anlagen, verbesserter Tageslichtnutzung, modernster Kältetechnik und Wärmeversorgung ausgestattet sind. Zukünftig werden wir die neue Generation der Green Farming-Märkte in Deutschland ausbauen und je nach Begebenheiten mit Dachfarmen ausstatten.

Wie werden Supermärkte Ihrer Meinung nach in zwanzig Jahren aufgestellt sein? 

Ich gehe davon aus, dass sich das Sortiment um lokale und regionale Produkte erweitern wird. Auch wird der Anteil an veganen Produkten und Bio-Ware steigen – Artikel für eine gesunde, ausgewogene Ernährung sowie ökologisch erzeugte Lebensmittel werden das Angebot prägen. Bei Fleisch werden hohe Tierwohlstandards zur Normalität gehören. Darüber hinaus wird es in Hinblick auf die Bausubstanz sicherlich fast nur noch Green Building-Märkte geben.

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