25. August 2021 | Food Service Equipment, Shopping Today

Mit wenigen Klicks bis vor die Haustür: Was steckt hinter dem neuen Trend?

von Elisa Wendorf (exklusiv für EuroShop.mag)

„Supermärkte hassen diesen Trick“ – Mit diesem Slogan wirbt das Berliner Start-up Gorillas. Im Mai 2020 gegründet, ist der Fahrrad-Lieferdienst neben Anbietern wie Flink und getir einer von vielen Kurierdiensten, die online bestellte Lebensmittel innerhalb kürzester Zeit bis vor die Haustür liefern – laut Werbeverspechen der zahlreichen Anbieter konkret in zehn Minuten. Das stellt für Kunden eine bequeme Alternative zum Einkauf im klassischen Supermarkt dar. Vor allem durch die Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Lebensmittellieferungen stark gestiegen. Es scheint also, als erleben jene Kurierdienste einen Boom – doch wie zukunftsfähig sind die Geschäftsmodelle? Wir haben uns die oben genannten Anbieter genauer angeschaut.

Die Liefergebiete

Das Standortnetz von Gorillas-Radfahrern beschränkt sich bislang auf 21 deutsche Städte sowie auf ausgewählte Standorte in den Niederlanden, Großbritannien, Italien und Frankreich, Flink-Radler sind in 18 Städten landesweit sowie ebenfalls in den Niederlanden und Frankreich aktiv. Der türkische Express-Lieferdienst getir ist erst im vergangenen Juni in den deutschen Markt eingestiegen und liefert auf seinen violetten E-Rollern bislang nur in Berlin. In Zukunft möchte sich der Dienst jedoch auf weitere Großstädte wie Stuttgart, Köln und München ausweiten.

So funktioniert der Einkauf bei den verschiedenen Dienstleistern

Die gewünschte Bestellung geben Kunden jeweils über eine App auf, bezahlt wird bei Gorillas, Flink und getir bargeldlos mit Kreditkarte, bei den ersten beiden ist ebenfalls die Internetzahlung via PayPal möglich. EC-Karten- und Barzahlungen werden von keinem der genannten Anbieter akzeptiert. getir-Fahrer liefern montags bis samstags von 9.00 Uhr bis 23.00 Uhr, Flink-Fahrer steigen bereits eine Stunde früher aufs Rad. Das größte Lieferfenster bietet Gorillas mit einem Schichtbeginn ab 7.30 Uhr, freitags und samstags radeln die Fahrer sogar bis 23.45 Uhr durch die Stadt. Sonntags haben die Dienste wie auch der klassische Supermarkt „geschlossen“.

In den Sortimenten befindet sich eine bunte Auswahl an Artikeln des täglichen Bedarfs, neben Lebensmitteln also auch Haushalts- und Drogerieartikel sowie Tiernahrung. Nach Abschluss der Bestellung dauert es bei den drei Anbietern – wie der oft verwendete Überbegriff der zehn-Minuten-Lieferdienste verrät – keine viertel Stunde, bis die Ware vor der Haustür steht.

Das Finanzierungsmodell

Gorillas-Fahrerin mit Rucksack von hinten

© Gorillas

Die Lieferdienste bieten ihre Ware getreu der Werbeversprechen zu „Supermarkt-Preisen“ an. Das ist insofern möglich, als dass sie ihre Produkte direkt beim Produzenten einkaufen und somit Mengenrabatte erhalten. Mögliche Zwischenhändler fallen weg. Aufbewahrt und von den Fahrern abgeholt wird die Ware in dezentralen Lagern in der Innenstadt – der Lieferradius beschränkt sich demzufolge meist auf den Stadtkern. Vorstädte oder gar ländlich gelegene Dörfer werden nicht beliefert. Je Lieferung zahlen Kunden bei Gorillas und Flink eine Pauschale von 1,80 Euro, bei Flink gilt zudem ein Mindestbestellwert von einem Euro. getir verzichtet auf Liefergebühren, liefert jedoch erst ab einem Bestellwert von zehn Euro.

Das Geschäft der Anbieter hängt von zwei grundlegenden Faktoren ab: von der Anzahl der Bestellungen sowie der damit verbundenen Auslastung der Fahrer. Wird zu wenig bestellt, verderben nicht nur frische Lebensmittel in den Lagern; auch bezahlte Arbeitskräfte sitzen untätig herum.

Die Lieferdienste im Nachhaltigkeitscheck

Was sich bei Gorillas und Flink durch die Lieferung mit dem Rad zunächst wenig belastend für die Umwelt anhört, muss in Sachen Nachhaltigkeit noch mal genauer unter die Lupe genommen werden. Die derzeit omnipräsenten Rucksäcke der Fahrer sind größer als gewöhnliche Taschen – doch bieten sie bei keinem der Lieferdienste genug Stauraum für einen gesamten Wocheneinkauf. Bereits bei der Bestellung werden Kunden auf die begrenzte Bestellmenge hingewiesen.

Das ständige Pendeln mit dem E-Bike, beziehungsweise E-Roller, verbraucht Strom. Nicht zu vergessen ist der Ressourcenverbrauch für Kühlung und Strom in den einzelnen Lagern selbst.

Rentabilität der Geschäftsmodelle auf Dauer

Die Kapazität an Lagerfläche stellt in Hinblick auf die Zukunft ein mögliches Problem dar: Die Anzahl an verfügbaren Lagerräumen ist bereits jetzt sehr knapp – auf logistischer Ebene müssen die Anbieter also früher oder später umdenken.

In Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung hat Gorillas einiges aufzuholen. Medial laut gewordene Kritik an den Arbeitsbedingungen der Fahrer sowie Proteste und Streiks haben das Image des Lieferdienstes zeitweilen in Verruf gebracht.

Auch aus kommerzieller Perspektive müssen die erst gehypten Start-ups in Hinblick auf ihre zukünftige Ertragsfähigkeit bangen. Flink hat sich bereits im Juni abgesichert und dem Lebensmittelhändler REWE Anteile verkauft. Dieser versorgt den Lieferdienst nun mit exklusiven Produkten und setzt auf die schnelle Lieferlösung des Jungunternehmens, zusätzlich zu dem eigenen REWE-Lieferservice.

Stau im Straßenverkehr, Autos stehen hintereinander

© PantherMedia/xload

Bei Gorillas sieht die Lage anders aus: Der zunächst schnell gewachsene Anbieter ist nun auf der Suche nach neuen Investoren. Ein potentieller Kandidat hierfür ist der größte US-amerikanische Lieferdienst Doordash, der derzeit noch nicht auf dem europäischen Markt vertreten ist.

Ob und wie die Dienste sich insgesamt durchsetzen können, lässt sich bisher nicht genau abzeichnen. Zwar strebt die immer größer werdende Anzahl an Anbietern eine Expansion an, denn mit mehr Lagern lassen sich Lieferwege verkürzen und Kosten und Personal einsparen. Andererseits stößt das Modell in Hinblick auf Gewinnmaximierung schnell an seine Grenzen. Einzelne Fahrer mit Rucksack bieten wenig Raum für Maximierung – die Gepäckstücke bieten nicht genug Platz für große Bestellungen. Auch die Lieferzeiten sind begrenzt. Langfristig müssten also alternative Liefermethoden, beispielsweise mehrere Fahrer oder größere Transportmittel, in Betracht gezogen werden. Inwieweit sich dies für die Unternehmen rentieren würde, ist eine andere Frage.

Momentan macht es den Anschein, als nehme das Liefermodell so richtig Fahrt auf. Dabei spielt die Verkehrslage eine entscheidende Rolle. Ein „vorrausschauender Fahrstil“ seitens der Unternehmen ist hier die Königsdisziplin. Derzeit sind alle Ampeln grün. Bevor sie auf Rot umschalten, liegt es an ihnen selbst, auf alternative Straßen abzubiegen, um Staus und Umwege zu vermeiden.

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