17. August 2021 | Energy Management, Shop Fitting, Store Design & Visual Merchandising, What´s new in Retail

Baulicher Sonnenschutz bei L&T in Osnabrück, wo die Prof. Moths Architekten die Schaufenster wie Vitrinen ausgebildet haben © Joachim Grothus

Der Klimawandel macht vor Handelsimmobilien nicht halt. Gut geplante Verschattungslösungen, die das Aufheizen der Innenräume verhindern und sensible Waren schützen, werden daher bedeutender denn je. Gleichzeitig sind optische Anforderungen und Gesetzesvorgaben zu erfüllen. Ein Beitrag über Herausforderungen und Lösungen.

Der Trend ist eindeutig, so Jochen M. Messerschmid, Geschäftsführer der MAI Architekten und Innenarchitekten aus Stuttgart: „Handelsimmobilien werden zunehmend mit optisch geöffneten Fassaden gebaut oder nachträglich damit versehen. Mehr Transparenz ist gefragt.“ Der Nachteil: „Mehr Glas bedeutet größere Flächen, über die Sonnenlicht und damit Wärme in die Gebäude gelangen können.“

Prof. Holger Moths, Inhaber des Planungsbüros Prof. Moths Architekten in Hamburg, bringt die herausfordernde Situation so auf den Punkt: „Für Immobilien gelten strenge Energieeinsparverordnungen, wozu eine gedämmte Verglasung, gegebenenfalls mit Sonnenschutz, gehört. Meist alles andere als transparent und die natürliche Farbwiedergabe verändernd, steht diese jedoch in diametralem Kontrast zu den Interessen des Einzelhandels. Denn der möchte Stores und Ware nach außen bestmöglich präsentieren und Passanten zum Eintreten animieren.“

Situationsanalyse

Was also kann man tun? Schritt eins: „Bei der Planung von Öffnungen in Fassaden oder auch der Anordnung von Oberlichtern ist zunächst immer die Ausrichtung zu prüfen“, rät Jochen M. Messerschmid und ergänzt: „Wir führen im Regelfall zunächst Verschattungsanalysen durch. Mithilfe von dreidimensionalen Computermodellen der Gebäude werden Sonneneinstrahlung und Verschattung im Jahresverlauf simuliert. Wichtig ist, die Umgebungsbebauung mit zu berücksichtigen, denn oftmals bietet diese bereits mehr natürliche Verschattung als man vermuten würde. Auf Basis der Ergebnisse kann die Platzierung der Fensteröffnungen optimiert werden. Bei Fensterflächen, die nach Nord-Osten, Norden oder Nord-Westen ausgerichtet sind, benötigt man keinen Sonnenschutz.“

Ansonsten steht eine Vielzahl an außen- und innenliegenden Lösungen zur Wahl, wobei bei Letzteren die Wärme ins Gebäude gelangt und bei Jalousien oder textilem Sonnenschutz zudem weniger bis kein Durchblick gegeben ist. Zu den einfachen, aber nicht an den Sonnenstand anpassbaren Möglichkeiten zählen Folien: „Die Nachfrage danach ist in den letzten Rekordsommern spürbar gestiegen“, heißt es aus dem Unternehmen Bruxsafol. Michael Brux, einer der beiden Geschäftsführer, erklärt: „Die Umsetzung kann zügig und ohne große Störung der Betriebsabläufe erfolgen. Unsere qualitativ hochwertigen Folien erzielen eine sehr hohe Infrarot- und UV-Licht-Zurückweisung, ohne das Tageslicht stark zu reduzieren. Für den Laien sind nahezu keinerlei optische Veränderungen erkennbar. Die Folien sollten jedoch auf das Glas abgestimmt sein, die Einbeziehung erfahrener Fachfirmen ist sinnvoll.“

Fallarm-Markisen, wie hier von Warema, sind robust und wirkungsvoll. © Warema

Eine ebenfalls einfache, aber aus baulicher Sicht nicht immer mögliche und vom Eigentümer gewünschte Lösung sind klassische Markisen, die bei Sonneneinstrahlung ausgefahren werden. „Sie verschatten das Schaufenster und verhindern störende Reflexionen. Aber sie sind wetteranfällig“, erläutert Prof. Holger Moths. Er hält Fallarm-Markisen für besser geeignet, da diese durch ihren Schrägarm eine hohe Stabilität gewährleisten und windresistenter sind. „Sie können zugleich die Einkaufsfläche des Ladens nach außen erweitern und als Werbeträger, LED-Lichtquelle, Regenschutz und Flairbringer dienen.“

Automatisierte Lösungen

Das Unternehmen Warema hat derartige Fallarm-Markisen im Programm und bietet darüber hinaus ein großes Spektrum an automatisierten Verschattungslösungen an. Über umfassende Steuerungssysteme können diese sogar in die Gebäudeautomation eingebunden werden, wobei sich die Smart-Building-Komponenten herstellerübergreifend mit anderen Produkten kombinieren lassen. Adaptive Sonnenschutzsysteme gewährleisten ein feines Austarieren von Sonnenschutz und Tageslichteintrag.

Adaptiv ohne jegliche Bedienung oder Steuerung wirkt das gerade neu lancierte Mikrowaben-Isolierglas „Infrashade“, das u.a. über den Flachglas Markenkreis vertrieben wird. Die mikroskopisch feine, durchsichtige Wabenstruktur, die mit einer UV- und IR-reflektierenden Beschichtung versehen ist, wird schon bei der Herstellung von Zwei- oder Dreifachisolierglas in die Scheibenzwischenräume montiert. Form und Größe der Verglasung sind nicht eingeschränkt, was Architekten hohen Freiraum bei der Fassadengestaltung eröffnet. Die Mikrowaben verändern ihre Durchlässigkeit selbsttätig mit dem Einfallswinkel der Sonne. Bei hohem Sonnenstand wird viel Einstrahlung reflektiert, bei niedrigem mehr durchgelassen, was im Winter zu einer erwünschten Raumerwärmung führt. Im Gegensatz zu Markisen und Co. ist keinerlei Wartung erforderlich.

Auch Lamellenfassaden sind eine Option, die das Gebäude verschatten und gleichzeitig zumindest partiell Einblicke eröffnen. Prof. Holger Moths und Jochen M. Messerschmid nennen eine weitere Variante. Der eine bezeichnet sie anschaulich als „eine Art integrierte Vitrine“, der andere als „klimatische Pufferzone ähnlich einem Wintergarten“. Das Prinzip: Außen wird eine einfache, höchst transparente Verglasung eingesetzt, an der Schaufenster-Rückseite dann die (gläserne) Dämmebene. „Damit“, so Prof. Holger Moths, „verschiebt man quasi die gedämmte Außenfassade nach innen.“ Jochen M. Messerschmid resümiert: „Die Problematik des Wärmeeintrags lässt sich auf diese Weise lösen, das Thema Blendung aber bleibt.“

Autorin: Stefanie Hütz

Quelle: stores & shops

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