18. August 2021 | Food Service Equipment, What´s new in Retail

Wie Food und Shopping zur neuen Retail Experience werden kann

von Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

Essen ist ein zentraler Bestandteil unseres Lebens wie kaum ein anderer. Ein glücklicher Umstand für Lebensmittelhändler. Aber wie lässt sich diese wichtige Rolle der Händler im Leben ihrer Kunden ausbauen – mit der Verknüpfung von Einkaufen und Gastronomie?

Gesteigertes Bewusstsein für gesunde Ernährung, verpackungsfreies Einkaufen oder nachhaltige Landwirtschaft – das sind Trends der letzten Jahre, an denen Händler und Gastronomen nicht mehr vorbeikommen. Und die Corona-Pandemie tat ihr Übriges, um das Thema Essen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken: „Die COVID-19-Pandemie hat die Einkaufs-, Koch- und Essgewohnheiten von Haushalten in ganz Amerika verändert,“ erklärt Jim Kirby, Kroger Health’s Senior Director, beispielhaft für die USA.

Lebensmittelhändler, die sich – überspitzt gesagt – darauf beschränken, abgepackte Nudeln und Soßen im Glas zu verkaufen, verpassen möglicherweise einen Trend und eine Chance, Kunden zu gewinnen, zu binden und zu begeistern. Denn schließlich konstatiert FMI, der amerikanische Verband der Lebensmittelindustrie, in ihrem Bericht „2021 Power of Foodservice at Retail“, dass 39 % der Verbraucher den Lebensmitteleinzelhandel als Ersatzquelle für zu Hause zubereitete und im Restaurant bestellte Mahlzeiten ansehen.

Anhand einiger internationaler Beispiele wollen wir zeigen, wie Händler aus verschiedenen Branchen den Einkauf zum Erlebnis machen und eine zentrale Rolle im Leben ihrer Kunden einnehmen.

Nach dem Einkauf noch das Mittagsmenü

Eine Abholtheke für Mahlzeiten in einem Supermarkt

© Kroger

Kroger, eine US-amerikanische Supermarktkette kooperiert seit 2019 mit ClusterTruck, einem Start-up, das Plattformen für reine Lieferrestaurants betreibt, sogenannte „Dark Kitchens“ (dunkle Küchen), in denen Mahlzeiten auf Kundenbestellung hin schnell zubereitet und geliefert werden. Gemeinsam wurden in Indiana und Ohio Kroger Delivery Kitchens (Lieferküchen) geöffnet, die Speisen ohne zusätzliche Lieferkosten zu den Kunden bringen. Während der Corona-Pandemie erweiterte Kroger das Konzept um „Ghost Kitchens“ (Geisterküchen). Teile der Ladenfläche (circa 90 Quadratmeter) wurden für Gastro-Küchen genutzt, in denen frische, fertige Mahlzeiten zubereitet werden, die Kunden während ihres Einkaufs oder bei Abholung ihrer bestellten Einkäufe mitnehmen können. Dan De La Rosa, Krogers Vizepräsident für Frische-Merchandising, gibt an mit einer Auswahl von bis zu 80 Gerichten „die anhaltende Kundennachfrage nach schnellen, frischen Mahlzeiten in Restaurant-Qualität zu erfüllen“.

Für Shopper, die den Einkaufstrip gerne mit einer kulinarischen Erfahrung abrunden möchten, setzen viele Händler auf Restaurants, Bistros, Cafés oder andere gastronomische Angebote.

Wie sich Markendesign und Gastronomie verbinden lassen, zeigt die britische Kaufhauskette Selfridges in ihrem Dachterrassen-Restaurant Alto. Für vier Sommermonate erscheint das Restaurant in einem von Dior inspirierten Design und dekoriert mit Produkten aus der aktuellen Dior Maison-Kollektion, der Heimausstattungslinie von Dior. Die Speise- und Getränkekarte ist natürlich auch dementsprechend angepasst.

 

Im Zuge eines Erneuerungsprogramms des britischen Einzelhandelsunternehmens Marks & Spencer werden nicht nur ihre Geschäfte einem neuen Design unterzogen, sondern auch die M&S-Cafés. Beginnend mit dem Café im Solihull Sears Retail Park, einem von etwa 350, sollen mit neuem Mobiliar und einem modernen, einladenden Design Kunden zu einem Ausflug in die Gastronomie überzeugt werden. „Ob ein Mittagessen zwischen den Einkäufen, ein schneller Imbiss nach der Abholung einer Click & Collect-Bestellung oder ein Frühstücksausflug mit der Familie – für viele Kunden ist der Besuch des M&S Cafés ein wichtiger Bestandteil des Einkaufserlebnisses,“ ist in einer Pressemitteilung von Marks & Spencer zu lesen.

 

Das neu gestaltete Café in Solihull soll auch eine Test-Location für ein modernes Kundenerlebnis werden: An jedem Tisch finden die Gäste einen QR-Code, über den sie mit ihrem Smartphone zur Speisekarte gelangen. Ihre Bestellungen können über Bildschirme am Tisch oder ihre Smartphones aufgeben. „Da Gastronomie für viele unserer Kunden ein wichtiger Bestandteil des M&S-Einkaufserlebnisses ist, hoffen wir, mit der Erprobung unseres neuen Café-Formats in Solihull unseren Ruf als großartiges Ziel für Familien zu festigen.“

Kunden stehen an einem offenen Food Truck an

© Sam’s Club

Kunden ködern: Mobile Tasting-Station

Sam’s Club hingegen setzt bei ihrem gastronomischen Angebot beispielsweise auf mobile Pop-up-Formate: Die amerikanische Einzelhandelsclub-Kette von Walmart Inc. betreibt Food Trucks, die regelmäßig Sam’s Clubs-Filialen abfahren und Club-Mitgliedern dort ausgewählte Produkte zur Verköstigung anbieten. In einer Pressemitteilung kündigt Sam’s Club an, „darüber hinaus […] neue Möglichkeiten [zu testen], wie Roaming-Events, bei denen die Proben direkt zu den Mitgliedern gebracht werden, während sie zur Kasse gehen, den Mitglieder-Service-Schalter besuchen oder Sam’s Club Curbside Pickup nutzen.“

Aus dem Store in die heimischen Küchen

Für Kroger-Kunden, die gerne selbst kochen möchten, denen aber Inspirationen fehlen, entwickelte Kroger mit mehreren Medien- und Technologie-Unternehmen ein Twitter-Tool, den Chefbot: Kunden können ein Foto von drei Zutaten aus ihrer Küche hochladen und dieses dann an @KrogerChefbot twittern. Ein Bot durchsucht tausende Rezepte mithilfe von künstlicher Intelligenz und schlägt den Nutzern dann eine Liste personalisierter Rezepte vor. Gerade zu Zeiten der Corona-Lockdowns, als nach Angaben von Mandy Rassi, Krogers Vizepräsidentin für Marketing, „der Großteil unserer Kunden mehrmals am Tag selbstzubereitete Mahlzeiten verzehrte“.

Ein Koch würzt Fische auf einer Platte

© Waitrose

Auch die britische Supermarktkette Waitrose bemüht sich um Zugang zu den Küchen ihrer Kunden. Teilnehmer an der Waitrose Cookery School (Kochschule) können per Livestream virtuelle Kochkurse besuchen. Es gibt thematische Kochkurse für Erwachsene, Kochkurse in den Sommerferien speziell für Kinder und Events wie das „Virtual Food and Drink Festival“.

Das Thema Essen bietet Händlern zahlreiche Möglichkeiten, ihre Kunden kennenzulernen, zu begeistern und mit kreativen Mitteln an das eigene Angebot zu binden. Inspiration und ein kundenzentriertes Angebot sind hier gefragt. Bei uns bleiben Sie diesbezüglich auf dem Laufenden:

Wie Wein, Gastronomie und Lebensmittelhandel Hand in Hand gehen können, zeigt unsere Videoreportage über Edeka Zurheide Feine Kost in Düsseldorf.

Dazu, ein außerordentliches Erlebnis zu bieten, gehört natürlich die richtige Ausstattung. Inspiration hierfür finden Interessierte auf der EuroShop. So auch vergangenes Jahr bei der EuroShop 2020 in der Dimension Food Service Equipment, wie unsere Videoreportage Liebe geht durch den Magen zeigt.

Und schließlich boomte durch die Pandemie auch das „To Go“-Geschäft mit Speisen. Welche Selbstbedienungslösungen haben im Einzelhandel eine Zukunft? Und wie nehmen Supermärkte am wachsenden Convenience-Markt teil? Dazu mehr in unserem Beitrag Wie schmeckt die Zukunft.

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