29. September 2021 | Retail Technology, Shopping Today

Einsatzmöglichkeiten der radio-frequency identification im Handel

von Katja Laska (exklusiv für EuroShop.mag)

Gekommen, um unter anderem im Luftkrieg der 1940er Jahre zwischen Großbritannien und Deutschland zu helfen, geblieben in der Handelsbranche? Die heute bekannte RFID-Technologie, die es schafft, dass Sender-Empfänger-Systeme sich automatisch und berührungslos erkennen, ist ein richtiger Allrounder und macht dem altbekannten Barcodescanner im wahrsten Sinne des Wortes einen Strich durch die Rechnung. Hier einige Anwendungsbeispiele.

Ein Transponder – Chip oder Funketikett – und ein Lesegerät – Aus diesen beiden Komponenten besteht ein RFID-System. Und wie funktioniert es? Ersterer wird samt identifizierbarem Code an oder in einem Gegenstand angebracht. Zweiteres kann die elektronisch gespeicherte Kennung und weitere Informationen auslesen.

Orange-graue RFID-Tags vor hellem Hintergrund; copyright: PantherMedia/Albert Lozano

©PantherMedia/Albert Lozano

Daten erfassen neu gedacht

Auf dem elektronischen Etikett oder Chip kann vieles gespeichert werden: Artikelnamen, Serien- oder Produktionsnummer, das Datum der Herstellung und/oder das Datum des Verlassens des Werkes, sämtliche Zwischenstationen und alle weiteren gewünschten Informationen zum Produkt und seinen Weg von der Herstellung bis zum Kunden.

Das Besondere? RFID-Transponder können sehr klein sein – die Größe eines Reiskorns reicht aus. Das ist ein Vorteil gegenüber den herkömmlichen Barcodes samt Scanner. Außerdem: Ein Barcode verfügt über keine programmierte Intelligenz. Er muss immer erst von einem Lesegerät ausgelesen werden. Dazu muss dieses in direkter Nähe über den Barcode gehalten werden. RFID arbeitet hingegeben mit Funkwellen. Der Transponder sendet immer dann eine Antwort, wenn das zugehörige Lesegerät ihn dazu auffordert und das kann auch über große Distanzen hinweg funktionieren. All das sind trotz kleiner Gerätschaften große Pluspunkte für Logistiker, Zusteller, Filialisten oder auch Onlinehändler, die – neben immer geringeren Anschaffungskosten dazu führen, dass die Technologie seit einiger Zeit (wieder) einen Boom in der Branche erlebt. Doch, wo und wie genau kann sie eingesetzt werden?

Inventar

Typischerweise wird der Lagerbestand eines Geschäfts manuell und zu festen Zeitpunkten überprüft. RFID kann die Bestandskontrolle, die sonst mühsam war und lang dauerte, schnell und einfach machen. Da keine Sichtweite zwischen Lesegerät und Transponder nötig ist, können gechipte Artikel schlicht beim Gang durch das Regal erkannt und registriert werden. Ein ganzer Inventarraum kann so innerhalb von Minuten gescannt werden.

Verfügen Händler neben der Hard- auch über ergänzende Softwarelösungen geht sogar noch mehr: Sie sind in der Lage Ungenauigkeiten im Bestand nahezu auszuschließen. Diese Art der Echtzeit-Überwachung hilft Waren-Lücken schnell zu schließen. Das System ist in der Lage gefragte und häufig ausverkaufte Waren automatisiert nachzubestellen. Die Folge: Geringere Personal- und Lagerkosten und eine größere Kundenzufriedenheit, denn man weiß, was, wo und wann im Store fehlt.

Die Technologie wird mittlerweile entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferkette angewandt. Viele Modelabels oder Fashion-Unternehmen wie Marc O’Polo, Superdrey, Zara oder das polnische LPP, zu dem auch die Reserved-Stores gehören, taggen ihre Ware bereits vorab bei der Produktion. Jede Sendung oder sogar jeder einzelne Artikel von der Produktionslinie über die Logistik bis hin zum Endkunden lässt sich so leicht überwachen. Auch große Händler wie H&M setzen auf diese Art der Verfolgung.

Sicherheit

Mehrere Weinflaschen mit Rfid-Hard-Tag; copyright: PantherMedia / weerapat

©PantherMedia / weerapat

Wird die gechipte Ware regalfertig in Filialen versendet, dient die Technologie auch zeitgleich zur Sicherung. Dank RFID sehen Händler, wenn ihre Ware sich „bewegt“: Verkaufsdaten können mit der Videoüberwachung in der Filiale kombiniert werden, um zu sehen, ob Artikel das Geschäft in größeren Mengen verlassen haben, als gekauft wurden und mutmaßlicher Diebstahl fliegt auf. Neben der Observierung der Ware können Händler auch Rückschlüsse auf das Kundenverhalten schließen, denn sie können dank des Trackings Antworten auf folgende Fragen finden: Welche Ware wird schlussendlich gekauft? Welche wird wieder aus dem Warenkorb genommen? In welchen Gängen halten sich Kunden besonders lange und häufig auf? An welcher Stelle im Geschäft wird die Ware eher mitgenommen? Welche Rolle spielen Tageszeiten und Wochentage?

Touchpoints

ehrere Jeanshosen mit RFID-Tag gechipt auf Kleiderstange; copyright: PantherMedia / Myimagine

©PantherMedia / Myimagine

Das Kundenverhalten lässt sich nicht nur an leeren Regalen oder Bewegung im Store ablesen. Auch daran, was in Umkleiden los ist, können Händler erkennen, was Kunden wollen. Bereits seit mehreren Jahren experimentiert die Fashionbranche mit intelligenten und multimedialen Anprobe-Lösungen, die mit RFID arbeiten. Eine Möglichkeit: In den Umkleidekabinen finden sich interaktive Spiegel, über die Kunden mit RFID und Touch interagieren kann. Hält man etwa ein Kleidungsstück an den Spiegel, zeigt dieser weitere Farben, Größen oder zum Outfit passende Stücke an – die bestellt sich der Kunde dann in die Umkleide oder sogar direkt nach Hause. Das Warenhaus Kaufhof setzte bereits in den 200er Jahren auf diese Technologie. Und auch 2021 ist sie noch kein alter Schuh. Erst kürzlich eröffnete der Sportbekleidungsanbieter Adidas einen Flagshipstore in Dubai. Auch hier wird der Kunde dank RFID auf eine Omnichannel-Customer-Journey geführt.

Checkout

Bezahlen ohne an der Kasse zu stehen. Just-Walk-Out-Stores sind gerade weltweit im Trend. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat den Hype noch bestärkt, aber sind wir mal ehrlich: Es ist schon sehr komfortabel, nicht an der Kasse Schlange zu stehen, den Einkauf erst aufs Band und dann wieder in den Wagen sortieren zu müssen oder nach Portmonee und Bargeld oder Karte kramen zu müssen. Auch hier kann RFID die Lösung in Richtung Einfaches Einkaufen sein: Versteckte Antennen in der Wand können Käse, Nudeln, Tomaten oder was der Kunde sonst noch gekauft hat, registrieren und eine Rechnung erstellen. Die Quittung kommt natürlich ebenfalls digital. Das Einzige, was der Käufer tun muss, ist einmalig eine App auf sein Smartphone zu laden und seine Zahlungsdaten zu hinterlegen. Zwar keine Lebensmittel, aber Sportartikel können auf ähnliche Weise bei Decathlon in Zürich seit letztem Jahr gekauft werden: Hier stellt der Kunde seinen Warenkorb in eine schwarze Vertiefung neben der Kasse. In wenigen Sekunde werden die Artikel erkannt und abgerechnet.

Im Bereich Supply-Chain-Management und Warennachverfolgung hat sie sich die RFID-Technologie sicherlich einen Top-Platz erarbeitet. Fakt ist aber auch, obwohl sie schon so lange bekannt ist, wird sie (noch) nicht flächendeckend genutzt. Was den Checkout angeht, bleibt sie, hinter anderen Lösungen, die in den vergangenen Jahren ins Retail-Rennen gestartet sind, zurück. Um nur ein Beispiel zu nennen: Letztes Jahr hat Amazon seine „Amazon Go“-Strategie als „Just Walk Out“-Technologie für andere Unternehmen verfügbar gemacht. Diese Geschäfte arbeiten mit denselben Technologien wie selbstfahrende Autos. So kommen hier Computer Vision, Sensorfusion und Deep Learning zum Einsatz. Funkwellen, sind also längst nicht mehr alles, wenn es darum geht, den Handel technisch aufzurüsten. Aber wir kennen es doch aus dem Sport: Weltranglistenplätzte oder Polepositions kann man sich immer wieder aufs Neue erkämpfen. Also, was nicht ist, kann ja noch werden, oder?

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