27. Oktober 2021 | Retail Technology, What´s new in Retail

Beispiele für erfolgversprechende personalfreie Shop-Konzepte

Ein Mann in weißem Hemd und Krawatte lächelt in die Kamera

Prof. Dr. Stephan Rüschen ist Professor für Lebensmitteleinzelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Heilbronn. // © Stephan Rüschen

von Julia Pott (exklusiv für EuroCIS.mag)

Kamen uns Stores, die ohne (Verkaufs-)Personal betrieben werden, vor einigen Jahren noch wie Science-Fiction vor, sind sie inzwischen zur Realität geworden. Smart Stores sind noch nicht flächendeckend Normalität, aber sie verlassen den Status von einzelnen reinen Test- und Pilotprojekten.

Prof. Dr. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmitteleinzelhandel an der DHBW Heilbronn, hat sich gemeinsam mit Studierenden Smart-Store-Konzepte in Europa genauer angeschaut und dazu das Whitepaper „Smart Stores 24/7 – Status Quo und Ausblick“ herausgegeben.

Was haben personalfreie Shop-Konzepte gemeinsam, was unterscheidet sie?

Es gibt zwar inzwischen viele unterschiedliche Smart-Store-Konzepte, aber gewisse Charakteristika, die fast immer zutreffen, haben Prof. Rüschen und seine Studierenden bei der Untersuchung des Marktes festgestellt: Die Stores sind so automatisiert, dass sie für das normale Verkaufsgeschäft kein Personal mehr brauchen und trotzdem 24 Stunden am Tag in Betrieb sind. Oft handelt es sich um kleine Flächen, Kundinnen und Kunden müssen sich meist registrieren, um den Shop benutzen zu können, und die Bezahlung erfolgt dann bargeldlos.

Ein kleiner Supermarkt von Edeka und Deutscher Bahn in drei dunkeln Containern

Lebensmittelmarkt E 24/7 von Edeka und Deutscher Bahn am Bahnhof Renningen // © Deutsche Bahn

Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Es gibt eine breite Vielfalt an Geschäftsmodelle für die personalfreien Stores. Einige Shops sind auf den ländlichen Raum ausgerichtet, während andere mitten im Stadtkern liegen. Wieder andere sind an Knotenpunkten wie Bahnhöfen oder Autobahnkreuzen angesiedelt oder versorgen Kundinnen und Kunden auf Werks- oder Unigeländen, in Wohn- oder Gewerbegebieten.

Wann und wo sind personalfreie Shop-Konzepte erfolgreich?

Personalkosten sind ein hoher Kostenfaktor für jedes Handelsunternehmen. So haben diese Konzepte gemeinsam, „dass sie versuchen, an Orten, an denen es wohl betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist mit Personal Stores zu führen, mit personalfreien Konzepten doch betriebswirtschaftlich profitabel zu sein“, erklärt Prof. Rüschen seine Beobachtung. Wenn die Auslastung durch die Kundschaft nicht ausreicht oder stark schwankt, lohnt sich der Personaleinsatz oft nicht und so fehlt ein Einkaufsangebot. „Tante Enso und Emmas Tag und Nachtmarkt beispielsweise wollen so auf dem Land eine Versorgungslücke schließen.“

Ein Mockup von einer Elektrotankstelle

Der Auf-Laden Kreisler ist ein autarker Ladepunkt mit selbstproduziertem grünem Strom für E-Fahrzeuge nahe einer Autobahn in der Südsteiermark. Gleichzeitig bietet der vollautomatisierte Verkaufsautomat lokale und regionale Produkte. // © Kreisler

Der Vorteil von ländlichen Lagen: Man habe zwar eine geringere Besucherfrequenz, dafür seien aber auch die Mieten günstiger, merkt Rüschen an. „Auf dem Land können solche Angebote auch von den Kommunen gefördert werden.“

Es ist aber nicht nur eine Frage des Standorts. „Bahnhofe, Flughäfen oder Hochschulen können zu gewissen Tageszeiten zu Hochfrequenzlagen werden.“ Aber auch sonntags oder nachts kann sich an bestimmten Orten eine größere Nachfrage auftun. „Alle Anbieter sagen zwar, es sei nicht realistisch, nachts um drei Uhr relevanten Umsatz zu erwarten. Aber sie können ihren Kundinnen und Kunden so ein attraktives 24/7-Serviceangebot machen“, erläutert Rüschen.

Verschiedene Konzepte: Grab & Go, Self-Checkout, Verkaufsautomaten

In ihrer Untersuchung der Smart-Store-Konzepte kommen Prof. Rüschen und seine Studierenden zu mehreren groben Kategorien, in die sich die Angebote aufteilen lassen:

Ein Baumarkt bei Nacht von außen

In den Würth24-Niederlassungen können Handwerkerinnen und Handwerker auch außerhalb der Öffnungszeiten einkaufen. Registrierte Kundinnen und Kunden erhalten per App Zugang zum Laden, lassen ihre Artikel automatisiert auf dem Kassenband scannen und erhalten hinterher eine Rechnung. // © Würth

  • Grab & Go-Shops, wie man es von Amazon Go kennt, in denen Kundinnen und Kunden – meist nach einem Check-in – hereinspazieren, ihre Artikel aus den Regalen nehmen und wieder herausspazieren. Bezahlt wird meist im Anschluss per App.
  • Personalfreie Stores mit Self-Checkout-Funktion sind ebenfalls Walk-in-Modelle, hier müssen die Produkte aber meist von den Kundinnen und Kunden selbst gescannt und an einem Self-Checkout-Terminal bezahlt werden.
  • Und schließlich gibt es klassische Verkaufsautomaten, von denen die angeforderte oder bestellte Ware selbstständig ausgegeben wird.

Bei den allermeisten Sortimenten dieser Stores handelt es sich um Lebensmittel und Convenience-Produkte. Dabei wären auch andere Produkte des täglichen Bedarfs, beispielsweise Drogeriewaren denkbar. „Wir haben tatsächlich bisher kein Konzept gesehen, mit dem dm Drogeriemarkt, Müller, Rossmann oder irgendein Start-up versuchen würden, Drogeriewaren in solchen 24/7-Stores anzubieten. Aber auch da bietet es sich definitiv an.“ Rüschen erklärt sich das so: „Ich glaube, dass das Kundenbedürfnis bei den Produkten am stärksten ist, die man wirklich in dem Augenblick braucht. Bei Non-Food Artikeln ist die Lieferzeit inzwischen so kurz, dass sich das für Anbieter nicht unbedingt aufdrängt. Was nicht bedeutet, dass es nicht trotzdem auch für diese Warengruppe Nischen gibt, wo das sinnvoll sein kann.“

Als Beispiel bezieht sich Rüschen auf den B2B-Shop Würth24.

Eine Person hält ein Smartphone über einen scanner an einem kleinen Tisch

Benutzung des TYPY Store im Medienhafen Düsseldorf per Bestellung über die App // © TYPY

Zukunft der Smart Stores

Wenn durch automatisierte Konzepte Personalkosten eingespart werden können und die Technik immer zuverlässiger und erschwinglicher wird, werden Smart Stores dann Geschäfte mit Personal komplett ersetzen? Zumindest für die nächsten zehn Jahre geht Prof. Rüschen nicht davon aus.

Eine Abholbox für bestelle Einkäufe mit gläserner Front

© TYPY

Prof. Rüschen: „Bei einem Ausgabeautomaten wie dem TYPY Store, bei dem im Hintergrund per Robotik die Ware kommissioniert wird, kann ich mir gut vorstellen, dass Händler sie an Stores anbauen, um ihren Kundinnen und Kunden außerhalb der Öffnungszeiten ein Grundsortiment an Nahrungsmitteln zur Verfügung zu stellen.“

„Ich glaube, dass sich Store-Konzepte mit und ohne Verkaufspersonal in Zukunft ergänzen werden“, prophezeit Rüschen. Beispielsweise könne ein Automat ein sehr begrenztes Warenangebot eines Supermarkts auch außerhalb der Öffnungszeiten anbieten. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ein 3000-Quadratmeter großer Supermarkt oder Discounter von der breiten Masse der Anbieter tatsächlich komplett personalfrei umgesetzt wird. Allein das Thema Diebstahl-Erkennung ist schon ein Riesenthema. Das automatisierte Erkennen der Ware durch die KI ist bei einem großen und sich ständig erweiternden Sortiment nicht banal. Das System muss für jeden neuen Artikel ‚angelernt‘ werden. Ich denke, der Aufwand würde sich nicht lohnen.“ Was sich hingegen in den stationären Lebensmitteleinzelhandel weiter sehr rasant durchsetzen werde, meint Rüschen, sei das Thema Self-Scanning.

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