Supermärkte punkten im Duell mit den Discountern
5. November 2021 | News, Retail Marketing, Shopping Today

Supermärkte in Deutschland haben die Pandemie genutzt, um ihren Vorsprung in der Kundengunst gegenüber Discountern auszubauen.  In Sachen Produktauswahl, Service-Level, Frische und Verfügbarkeit von Waren hängen die Vollsortimenter die Discounter klar ab – und gewinnen auch Marktanteile hinzu.

Eine aktuelle Kundenbefragung der Strategieberatung Oliver Wyman in acht europäischen Ländern attestiert den deutschen Vollsortimentern eine Robustheit, die so sonst nur noch in der Schweiz anzutreffen ist. Dank einer differenzierten Zielgruppenansprache und guter Erreichbarkeit hat das einst kriselnde Segment in der Corona-Zeit an Boden gewonnen – ein Weckruf für die Discounter.

Supermärkte haben während der Covid-19-Krise mit einer Qualitätsoffensive gepunktet und stellen damit Discounter vor strategische Probleme. Zu diesem Ergebnis kommt eine Kundenzufriedenheitsbefragung der Strategieberatung Oliver Wyman, die auf mehr als 10.000 Antworten in insgesamt acht Ländern beruht. „Wir erleben eine Renaissance der Supermärkte“, sagt Alexander Pöhl, Principal der Retail Practice bei Oliver Wyman. „Standen die Vollsortimenter Anfang des letzten Jahrzehnts noch unter großem Druck der Discounter, hat sich das Blatt gewendet. Heute sucht man in den Konzernzentralen der Discounter nach den geeigneten Gegenmaßnahmen.“

Die Studie zeigt: Für 26 Prozent der Deutschen ist die Erreichbarkeit der Hauptgrund für die Auswahl des Ladens, es folgen die Produktauswahl (21%), Qualität und Frische (14%) und erst dann der Preis (11%) als Argument. „Attraktive Preise sind zur Selbstverständlichkeit geworden, zumal die Supermärkte mit ihren immer selbstbewusster platzierten Eigenmarken ebenfalls attraktive Einstiegspreise bieten“, erklärt Pöhl. „Die erste Runde ging an die Discounter, jetzt haben die Supermärkte zurückgeschlagen.“ Der Lebensmitteleinzelhandel sei ein stark gesättigter Markt, in den nun auch noch Lieferdienste wie Flink und Gorillas hinzukommen. „Dieser Markt wird nicht einfacher, es wird mit harten Bandagen um die Kunden gekämpft“, sagt Pöhl.

One-Stop-Shopping in der Pandemie

Die veränderte Präferenz im stationären Einzelhandel spiegelt sich auch in den Marktanteilen: Während Discounter in Deutschland zwischen 2016 und 2021 stagnierten, legten Supermärkte zu – Tendenz weiter steigend. In der Pandemie mit dem Gebot der Kontaktvermeidung wussten Verbraucherinnen und Verbraucher die kurzen Wege und ein vielfältiges Angebot besonders zu schätzen, sagt Rainer Münch, Partner und Handelsexperte bei Oliver Wyman: „Die Supermärkte konnten das Momentum nutzen, um Kunden beim One-Stop-Shopping zu unterstützen.“ So seien viele Konsumenten, die zuvor beide Systeme – Discount und Vollsortimenter – parallel und selektiv genutzt haben, mit einem einzigen, größeren Einkauf zufriedengestellt worden. „Supermärkte konnten viele Menschen in Sachen Produktauswahl überzeugen und dem immer wichtigeren Wunsch nach Bequemlichkeit des Einkaufs entsprechen.“

Die Oliver Wyman-Experten sehen im internationalen Vergleich nur noch die Supermärkte in der Schweiz in einer ähnlich guten Position gegenüber den Discountern. In Deutschland ist auch der zeitliche Vorsprung ein Grund: „Deutschland ist das Mutterland der Discount-Märkte. Daher mussten die Supermärkte hierzulande früher als im Ausland eine klare Antwort finden, um sich von der Konkurrenz abzusetzen.“ Sie hätten in den letzten Jahren massiv investiert in ihre Qualität, in ihr Sortiment und das Thema Frische. In Pandemiezeiten hätten auch Nicht-Stammkunden diese hinzugewonnene Stärke positiv wahrgenommen und seien zu regelmäßigen Käufern geworden.

Discounter vor schwierigem Spagat

Discountern stehen trotz eigener Qualitätsoffensiven weiter vor einer Herausforderung. Ihr anfängliches Geschäftsmodell, das auf strikter Standardisierung beruhte, wurde bereits mit dem vor Jahren gestarteten Angriff auf die Supermärkte aufgeweicht. „Discounter haben die Supermärkte vor der Pandemie mit einer massiven Sortimentsaufwertung attackiert.“ Mehr Markenware, mehr Bio, mehr Regionales lautete die neue Vorgabe – aber damit entfernten sich die Preisbrecher noch weiter von der ursprünglich klar limitierten Artikelanzahl, die für äußerste Effizienz und Kostenvorteile stand. „Die Discounter stoßen mit standardisierten Modellen immer wieder an Grenzen. Sie müssen künftig noch differenzierter und lokal abgestufter auf Kundenbedürfnisse eingehen, ohne aber ihre Kostenvorteile einzubüßen. Das ist ein schwieriger Spagat“, sagt Pöhl.

Supermärkte können sich durch die Analyse der Kundenwahrnehmung hingegen auf dem Weg bestätigt fühlen, sagt Pöhl. „Sie müssen weiter in die IT-Systeme und die Lieferkette investieren, um Differenzierung, Qualität und Frische zu ermöglichen.“ Schon vor der Pandemie hätten viele Supermärkte ihre Ausgaben für die IT-Infrastruktur und Logistik massiv erhöht. „Man kann kein Sortiment für tausende Märkte mehr manuell steuern – da sind sehr smarte Systeme im Einsatz.“ Weil viele Märkte inzwischen ihre Kunden, deren Daten und Präferenzen kennen, treffe man die Verbraucherwünsche im stationären Handel immer zielgenauer. „Die Supermärkte haben es sehr gut geschafft, ihr Konzept zu modularisieren und an den jeweiligen Standort anzupassen“, sagt Pöhl. Während sie mancherorts vor allem Großpackungen und Einstiegsmarken verkaufen, könnten sie andernorts mit Passionsfrüchten, Craftbeer oder frisch zubereitetem Sushi überzeugen.

Quelle: Oliver Wyman

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