4. April 2023 | Interview, Leading Voices, Retail Marketing, What´s new in Retail

Wie Online-Werbung die Menschen anspricht, die sich gerade wirklich dafür interessieren

Interview: Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

Einen Werbebanner auf Webseiten platzieren oder etwas Suchmaschinenwerbung, das machen viele. Aber wie erziele ich damit mehr Erfolg? Und was passiert mit der Aussteuerung meiner Werbemittel, wenn die Third-Party-Cookies eingestellt werden?

GumGum ist eine Firma, die sich seit ihrer Gründung 2008 mit Online-Werbemitteln auseinandersetzt. GumGums Antwort auf oben gestellte Fragen lautet: Contextual Advertising. Was sich dahinter verbirgt und was das für den Online-Werbemarkt heißt, haben wir Jörg Schneider, Head of Strategy für den Bereich EMEA, gefragt.

Mann im Anzug mit dunklen Haaren - Jörg Schneider; Copyright: GumGum

Jörg Schneider // © GumGum

Jörg, welche Probleme seht ihr bei GumGum dabei, wie Online-Werbemittel bisher ausgespielt werden?

Jörg Schneider: Nehmen wir an, du bist ein Mittelständler und du stellst Schrauben her. Wenn du dein Angebot bewerben willst, suchst du Seiten, auf denen du die Personen vermutest, die für ihre Firma Schrauben einkaufen. Wirbst du im Online-Schraubenmagazin, hast du eine sehr geringe Reichweite und möglicherweise hohe Konkurrenz unter den Anbietern.

Gehst du in die Breite und wirbst auf Seiten mit verwandten Themen wie Technik und Ingenieurwesen, ist es schwierig, die Personen zu treffen, die du suchst und die sich tatsächlich für dein Angebot interessieren. Bei der Menge an Werbung, der wir täglich begegnen, kannst du der beste Schraubenhersteller der Welt sein und überall hervorragende Werbung ausspielen. Wenn sie aber in dem Moment keiner sehen will, ist das verschwendetes Geld.

Bisher wurde hierfür viel auf Buyer Personas oder Konsumentenprofile gesetzt.

Richtig, aber demografisches Targeting kommt da an seine Grenzen: Wie lautet das genaue Profil der Person, die Schrauben einkauft? Männlich, 40 bis 50 Jahre alt und spielt gern Tennis? Wer weiß das schon?

Oder ein anderes Beispiel: Du willst Kosmetikprodukte verkaufen. Deine Zielgruppe sind Frauen zwischen 35 und 45, die Interesse an Kosmetik haben. Da wirst du schnell feststellen, dass das ziemlich viele sind.

Auch Third-Party-Cookies helfen hier nur bedingt und werden zudem nach und nach eingestellt.

Das ist in der Tat schwierig. Und dafür habt ihr eine Lösung?

Die Idee, dort zu werben, wo verwandter Content, wo ähnliche Inhalte veröffentlicht werden, ist schon richtig. Diese Inhalte muss ich finden und zwar überall, nicht nur dort, wo Werbetreibende sie auf den ersten Blick vermuten: Beim Kicker oder anderen Sportmagazinen werden Adidas, Nike und Puma werben, aber nicht der Schraubenhersteller. Dabei gibt es dort durchaus Content, der sich mit Engineering befasst, zum Beispiel, wenn es um die Installation eines neuen Daches fürs Stadion geht.

Wir können mit unserer Engine genau diesen Content finden und dort dann die Werbung ausspielen; und diese Inhalte finden wir, egal ob beim Kicker, bei der Für Sie oder beim Spiegel.

Wie macht ihr das?

Wir schauen uns den Aufbau von Webseiten an und lesen den gesamten Inhalt aus. Das machen andere Contextual-Targeting-Anbieter zwar auch, allerdings haben wir eine künstliche Intelligenz entwickelt, die über Jahre von Menschen „gefüttert“ wurde und damit ein menschenähnliches Verständnis von Webseiten hat. Wir analysieren genau, worum es in den Inhalten geht. Dafür schauen wir uns Fotos Pixel für Pixel und Videos Bild für Bild an und werten auch Audiocontent aus.

Darüber hinaus ist die sogenannte „Sentiment-Analyse“ entscheidend: Wie ist die Stimmung des Contents? Negativ, positiv oder neutral?

Könnt ihr für diese „Sentiment-Analyse“ ein Beispiel nennen? Welche Rolle spielt die Stimmung des Contents?

Beispiel für eine Sentiment-Analyse; Copyright: GumGum

© GumGum

Es gibt viele Negativbeispiele, die die Rolle des Sentiments verdeutlichen: Ein Klassiker sind Automarken, die auf einer Seite werben, auf der gerade über Verkehrschaos oder Massenkarambolagen berichtet wird. Hier geht es zwar um Autos, aber in einem sehr negativen Zusammenhang.

Um das Prinzip positiv an einem Extrembeispiel zu verdeutlichen: Nehmen wir an, du willst für deine Kosmetikartikel werben. Die meisten Contextual-Anbieter würden dich nicht auf einer Seite platzieren, auf der das Wort „Killer“ vorkommt. Eigentlich steht da aber: „Das neue Killer-Outfit der Kardashians.“ Einen besseren Moment, um User zu erreichen, die aufnahmefähig sind für Beauty-Produkte, gibt es nicht. Das ist genau der Content, wo die Kosmetikmarke präsent sein will, hier trifft sie das Mindset der Konsumentinnen und Konsumenten, bei dem die bestmögliche Aufmerksamkeit für das Werbemittel generiert wird.

Unser Ziel ist es, den richtigen Usern zur richtigen Zeit die richtige Werbung auszuspielen. Dafür ist die Analyse der Stimmung von Inhalten extrem wichtig. Unsere Media-Rating-Council-Akkreditierung besagt: Dieses Versprechen können wir auch einhalten – und zwar nicht nur für die Auswertung von Kontextinformationen wie Text, Bild, Audio und Video, sondern seit einigen Wochen auch im Bereich CTV (Connected TV oder Smart TV).

Welche Erfahrungen machen eure Auftraggeber mit Contextual Advertising?

Es gibt ja einen absoluten „Werbe-Overload“ im Internet. Wenn du aber die richtige Technologie nutzt, bist du der einzige Werbetreibende, der gerade mit diesem Content auf dieser Seite relevant ist. Und diese gesteigerte Relevanz können wir feststellen und messen. Es gibt unabhängige Studien, die unsere Technologie genutzt und herausgefunden haben: Die Markenerinnerung kann bis zu 70 Prozent stärker sein, wenn die Werbung im richtigen Kontext ausgespielt wurde.

Außerdem haben wir Erkenntnisse, dass die „Attention Time“ – sprich die Zeit, die Menschen aufmerksam mit Werbung verbringen – 7,9 mal höher ist als auf einem Werbemittel, das nicht kontextuell eingebunden war.

An Zahlen auf verschiedenen Shoppingplattformen lässt sich auch belegen, dass die Warenkörbe durch Contextual Advertisements deutlich größer sind, als die von Usern, die von anderen Werbemitteln kommen.

Wenn ihr in die Zukunft des Digital Advertisings blickt, was seht ihr da?

Für uns ist die Frage wichtig: Wo kann man in Zukunft – über Desktop und Mobile hinausgehend – noch kontextuelle Ausspielung einsetzen? Da schauen wir besonders auf den Bereich CTV. Aber auch Gaming wird immer relevanter.

Um ein weiteres Beispiel zu nennen: Stell dir vor, du sitzt auf deinem Heimtrainer und nach dem Workout zu der Botschaft „Gratuliere, du hast es geschafft!“ wird dir dann die Gatorade-Werbung angezeigt. Das ist optimal.

Und das braucht es auch: Wenn Werbung – und im Prinzip ist es schon so weit, aber es wird noch weiter zunehmen – wirklich überall auftaucht, dann muss sie besser werden. Contextual Advertising kann dazu beitragen, dass Werbung für die User wieder relevanter wird.

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