6. April 2020 | Retail Technology, Young Professionals

Henning Henningsen über Selbstreflektion, Entdeckergeist und Mentoren im E-Commerce

Eine gute Ausbildung ist wichtig, Praxiserfahrung und Entdeckergeist umso wichtiger, zumindest wenn es nach Henning Henningsen, Chief Product Owner E-Commerce Technology bei AUDI, geht. Wir haben mit ihm über seine Laufbahn gesprochen und warum Mentoren und das richtige Mindset entscheidende Faktoren für den beruflichen Erfolg im E-Commerce sind.

Henning, Du hast zunächst eine Banklehre gemacht und warst auch im Anschluss als Bänker tätig, hast dann in den Bereich “Medienwissenschaften” gewechselt und bist danach in den “E-Commerce” eingestiegen. Wie kam es dazu?

Ich hatte nach der Schule zwei Möglichkeiten: in einer Werbeagentur oder in einer Bank anfangen. Da das Bankwesen die „solidere“ Ausbildung bot, habe ich mich für diesen Weg entschieden. Ich

Henning Henningsen

Henning Henningsen ist Chief Product Owner E-Commerce Technology bei AUDI. © privat

habe viel über Beratung gelernt, wie man Kunden schwierige Anlageprodukte oder Finanzierungsmodelle näherbringt. Irgendwann habe ich aber feststellen müssen, dass ich Produkte verkaufe, die ich selbst eigentlich nicht kaufen würde. Das war der Punkt, an dem sich für mich die Frage stellte, wie es für mich weiter geht.

„Man muss sich wieder selbst reflektieren! Wo steht man gerade und was kann der nächste Schritt sein?“

Etwas, dass mir zu der Zeit sehr viel Purpose gab, war die ehrenamtliche Betreuung des Onlineauftritts des Internationalen Rhönradturn-Verbandes. Das war der Grund, warum ich an der Macromedia Hochschule in Hamburg ein Studium der Medienwissenschaften mit der Fachrichtung „Crossmedia und Onlinemanagement“ begann. Ich habe hier eine breitgefächerte, aber vor allem sehr praxisnahe Ausbildung genossen, die dann auch meine nächsten Schritte geprägt hat: Im Rahmen eines studentischen Projekts bei der NetImpact Framework GmbH, damals noch Agenturpartner von OTTO, kam ich in Kontakt mit Tarek Müller, heute einer von drei Geschäftsführern bei AboutYou.

Das heißt, Du hattest im Rahmen dieses studentischen Projektes die ersten Berührungspunkte zum E-Commerce?

Ja, richtig. Wir waren damals zu Gast in der Agentur von Tarek Müller und Alexander Graf. Mit den beiden hatte ich zwei Kontakte, die eine starke Meinung im E-Commerce-Bereich vertreten. Sie haben mir neue Perspektiven eröffnet und in einer gewissen Art und Weise meine Denk- und Handlungsweise, aber auch mein unternehmerisches Auftreten geprägt.

Glaubst Du, dass es gerade im digitalen Zeitalter immer wichtiger wird, einen Mentor zu haben?

Absolut. Das kann ich so unterschreiben. Der Mentor muss aber nicht immer aus der Digitalbranche kommen. Neben Tarek und Alexander hatte ich einen Mentor aus dem Sportbereich, der mich vor allem auf der Persönlichkeits- und Entwicklungsebene unterstützt hat.

Meine Erfahrung ist, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen man einen oder mehrere Mentoren hat, die einen bereichern und fordern. Aber Zeiten ändern sich auch, sodass man immer wieder auf der Suche nach neuen Unterstützern und Förderern sein sollte. Das können Menschen sein, die einen inspirieren oder mit denen man auch Unternehmenswerte teilt. Es ist keine einfache Aufgabe, einen Mentor zu finden, aber ich halte es für unabdingbar, den Kontakt zu suchen, um sich selbst weiterzuentwickeln.

Bist Du nach deinem Masterstudium im E-Commerce direkt zu AUDI gegangen?

Nicht sofort. Die Verbindung zu AUDI entstand über einen ehemaligen Kommilitonen und Freund. Wir haben uns im Bachelorstudium kennengelernt und dann gemeinsam den Master im E-Commerce absolviert. Im Anschluss war ich bei der Unternehmensberatung Etribes tätig, mit Tarek und Alexander als Gesellschafter. Das war eine spannende Zeit. Schon während meines Studiums hatte ich dort kleinere Beratungsmandate. Diese Tätigkeit habe ich sechs Monate nach Ende meines Studiums aufgegeben und bin zu AUDI gegangen. Auch aus dem Grund, weil ich etwas anderes machen wollte.

„Wenn Du irgendwann das Gefühl hast, du bewegst Dich nicht mehr weiter, dann schau Dich aktiv um, bevor Du Dich im Kreis drehst.“

Was fasziniert Dich am E-Commerce besonders?

Ich bin aktuell in einem Bereich tätig, der die technische Perspektive des E-Commerce einnimmt und ich sehe mich als eine Art “Möglichmacher”, indem ich spezifische Funktionen zur Verfügung stelle, um ein noch besseres Kundenerlebnis zu gewährleisten. Ich persönlich habe meinen Purpose in diesem “Möglichmachen”, also in der technischen Perspektive gefunden.

Mag sein, dass sich dieser Fokus irgendwann ändert, denn es gibt noch viele spannende Bereiche im E-Commerce und darüber hinaus, die mir noch offen stehen und in denen ich mich weiterentwickeln kann.

„Wir wollen ein Enabler für digitale Services sein und zukünftig in schneller Abfolge digitale Services bei AUDI ermöglichen.“

Was hat Dich bei AUDI erwartet?

Das Unternehmen stand damals vor der Entscheidung eine E-Commerce-Technologie einzuführen. Die Abteilungen selbst waren in statische Säulen eingeteilt. Wir haben die Experten in einem gemeinsamen Team – übergreifend über Abteilungen – gebündelt und als Produktteam beziehungsweise Product Owner zusammengearbeitet. Mein ehemaliger Kommilitone und heutiger Kollege und ich waren die ersten beiden und sind dann schnell auf zehn angewachsen, die nun in entsprechenden Teams zusammenarbeiten. Natürlich stehen auch wir den Herausforderungen, die Konzernstrukturen mit sich bringen, gegenüber. Wir versuchen an allen Stellen, unser agiles Mindset und das Modell unserer Zusammenarbeit in die Organisation zu tragen. Das klappt manchmal besser, an anderen Stellen arbeiten wir noch.

Wir kommen immer wieder auf das Mindset zurück. Wie hoch schätzt Du das Thema als Erfolgsfaktor des E-Commerce?

Die Funktionsweise einer Technologie ist das eine. Das andere ist die Frage nach des Mindsets. Daher haben wir von Anfang an das Produkt als Geschäftsmodell angesehen. Es galt zu überlegen, wie Ressourcen gewinnbringend eingesetzt werden können, um den größtmöglichen Kundenwert zu erreichen. Das ist eins der Kernelemente des Agiles Projektmanagements. Nach diesem Ansatz arbeiten wir auch nach wie vor und versuchen die Technologien so aufzubauen, dass sie als Produkt und nicht als Projekt angesehen werden.

Gibt es im agilen Projektmanagement eigentlich einen klassischen Arbeitsalltag und wenn ja, wie sieht dieser bei Dir aus?

Den gibt es in der Tat nicht. (lacht)

Zu Beginn haben wir uns im Team die Frage gestellt, wie wir effektiv zusammenarbeiten können, denn unser Team verteilt sich breit über den süddeutschen Raum. Viele Kollegen arbeiten aus dem Homeoffice. Dabei ist herausgekommen, dass wir zwei Mal in der Woche gemeinsam in einer Location arbeiten wollen. Dort finden unsere Scrum-Meetings statt, das Sprintplanning, Sprintreviews, Retros etc. Wir haben gemerkt, dass die menschliche Komponente für die Zusammenarbeit eine zentrale Rolle spielt. Darüber hinaus funktioniert sehr viel über Videokonferenzen und Calls.

Was müssen Berufs- oder Quereinsteiger im Bereich E-Commerce aus Deiner Sicht mitbringen?

Vor allem Entdeckergeist und eine gewisse Neugier, sich eigenständig in Themen einzuarbeiten. „Learning by doing“ sozusagen. Dabei ist unternehmensseitig einerseits eine offene Fehlerkultur wichtig. Wenn etwas falsch läuft, ist das kein Problem und kann zusammen im Team gelöst werden. Andererseits empfinde ich ein gewisses Maß an Eigeninitiative als entscheidend. Wenn ein Teammitglied Entwicklungspotenziale sieht, sollte er oder sie diese auch aktiv einbringen. Dieser Rückkanal, das frische Auge von Personen, die gerade neu in ein Unternehmen reinkommen, ist extrem wichtig.

Was würdest du E-Commerce-Interessierten zum Abschluss empfehlen?

Nehmt so viel Praxiserfahrung wie möglich mit! Sei es Werksstudententätigkeiten, Praktika oder eigene Projekte, die nebenherlaufen, um ausreichend Erfahrung zu sammeln. Sich ausprobieren, Technologien testen, um Funktionsweisen zu verstehen und so weiter. All das zahlt auf den Entdeckergeist ein, den ich erwähnt habe. Wer sich selbst reindenkt und proaktiv vorangeht, der bietet einen großen Mehrwert für Unternehmen.

Interview: Melanie Günther

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