6. Mai 2020 | News, Shop Fitting, Store Design & Visual Merchandising, Shopping Today

von Illona Marx (exklusiv für EuroShop.mag)

Schritt für Schritt in die Normalität. Seit Mitte März 2020 befand sich der Einzelhandel im Ausnahmezustand. Bis auf Geschäfte der Grundversorgung wie Supermärkte, Apotheken, Optiker und Drogerien blieben alle Läden geschlossen, die Innenstädte waren wie leergefegt. Und mehr und mehr wurde klar: Das Virus, das die Welt fest im Griff hat, wird den Alltag auch weiterhin prägen. Nur mit äußerster Vorsicht, mit viel Disziplin und Augenmaß dürfte es in den nächsten Monaten möglich sein, zumindest ansatzweise an das Leben früherer Tage anzuknüpfen.

Verantwortungsbewusster Empfang bei Calvin Klein. Jeder Kunde wird gebeten, sich die Hände zu desinfizieren.

Verantwortungsbewusster Empfang bei Calvin Klein. Jeder Kunde wird gebeten, sich die Hände zu desinfizieren. © Ilona Marx

Erste Lockerungen der Corona-Beschränkungen hatten Bund und Länder am 15. April beschlossen. Dazu gehörte die Wiedereröffnung aller Geschäfte bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche ab dem 20. April. Möbelhäuser, Buchläden, Auto- und Fahrradhändler sowie Babyfachmärkte sind in Nordrhein-Westfalen von der 800-Quadratmeter-Regel ausgeschlossen, sie konnten ihre Türen unabhängig von der Größe wieder öffnen. Jedoch gelten überall strenge Hygienevorschriften. Und nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter Fläche ist aktuell zugelassen. Die jüngsten Regelungen geben auch größeren Stores die Möglichkeit, ihre Kunden wieder zu empfangen – indem sie die vorgegebene Maximalfläche vom Rest des Hauses abtrennen. Wir sind in Düsseldorf zu einer Einzelhandelsbeobachtung aufgebrochen, um die aktuelle Lage zu sondieren und zu sehen, mit welchen Lösungen der Handel den neuen Bedingungen begegnet.

Engagement, Verantwortung und Geduld

Klare Kommunikation von Anfang an bei der Meyerschen Buchhandlung. © Ilona Marx

Am ersten Tag der Lockerungen strömten viele Menschen in die deutschen Innenstädte, das zeichnete sich insbesondere in Nordrhein-Westfahlen ab. Das Passantenvolumen in Düsseldorf betrug laut IfW bereits 45 Prozent des unter normalen Umständen an Werktagen zu erwartenden Niveaus. In der darauffolgenden Woche flachte die Frequenz zeitgleich mit der in Nordrhein-Westfalen zum 27. April eingeführte Maskenpflicht nach Beobachtungen der befragten Einzelhändler ab, zog dann zum ersten Maiwochenende aber wieder an. Vor den größeren Märkten bildeten sich Schlangen, so beispielsweise bei Saturn im Sevens auf der Königsallee: Bevor sich die Kunden hier in die einzige geöffnete der fünf Etagen begeben durften, wurde ihnen eine etwa DIN-A5-große transparente Plastikhülle mit einer Nummer übergeben, die das Personal vor den Augen der Kaufwilligen desinfizierte. Durch die Nummerierung wird sichergestellt, dass die Anzahl der anwesenden Kunden die für die Fläche zulässige Zahl von 80 nicht überschreitet.

Nochmals anstehen hieß es dann in der geöffneten Etage selbst. Die Mitarbeiter riefen dort die Kunden einzeln auf und wiesen sie den Beratern zu: Nur ein Bruchteil der Waren ist dort ausgestellt, das wichtigste Verkaufstool sind derzeit die Terminals, die sogenannten Smartbars, an denen man die Kunden am Bildschirm berät. Das Personal zeigte sich sehr engagiert, nach mehrwöchiger Pause offensichtlich froh, wieder in den Job einsteigen zu können. Eine Sprecherin von Saturn MediaMarkt beurteilte die Lage folgendermaßen: „Als Händler begleiten wir diese erste Phase der schrittweisen Wiedereröffnung mit großer Verantwortung und Bedacht. Daher haben wir uns intensiv vorbereitet, um den Einkauf so angenehm wie möglich zu machen. Sicherheit steht aber im Vordergrund, das Allerwichtigste ist daher das Wohl unserer Kunden und Mitarbeiter. Deshalb tun wir alles dafür, um die zahlreichen Schutz- und Hygienemaßnahmen in unseren Märkten konsequent umzusetzen und einzuhalten.“ Dazu zählen unter anderem Spuckschutzvorrichtungen, die im Kassen-, Info- und Servicebereich sowie an den Smartbars und der Warenausgabe aufgestellt wurden, sowie umfangreiche Beschilderungen und Hinweise zur Abstandshaltung. „Die Kunden sind hier sehr positiv gestimmt und verhalten sich vorbildlich, selbst wenn es zwischendurch einmal zu kleineren Wartezeiten bzw. Warteschlangen vor den Märkten kommen sollte. Dabei zeigt sich aber, dass unser Sicherheitskonzept sehr gut funktioniert und Abstands- und Hygienestandards problemlos eingehalten werden.“

 

Kreative Kommunikation

Auch bei Zara und H&M begegnet man den Hygienevorschriften und Abstandsregeln mit eigenen Sicherheitskonzepten. Während man sich bei H&M darauf beschränkt, das Erdgeschoss freizugeben, außerdem die Umkleidekabinen geschlossen hält und die Kundenzahl durch das Aushändigen eines limitierter desinfizierter Plastikringe reguliert, hat Zara die Umkleiden geöffnet und zählt die Kunden durch eine an der Tür abgestellte Mitarbeiterin. Hier jedoch musste die Fläche im Erdgeschoss teilweise freigeräumt werden, da die Grundfläche der Filiale an der Königsallee 800 Quadratmeter bereits überschreitet. Die leere Fläche hat man mit einem rot-weißen Plastikband abgesperrt, eine kurzfristige Behelfsmaßnahme, die auch in anderen großen Kaufhäusern zu sehen ist.

Leergeräumte Fläche bei Zara. © Ilona Marx

Leergeräumte Fläche bei Zara. © Ilona Marx

 Klare Markierungen in der Kassenzone bei H&M. © Ilona Marx

Klare Markierungen in der Kassenzone bei H&M. © Ilona Marx

Bei beiden Modehändlern war die Frequenz sehr niedrig. Eine Unternehmenssprecherin von H&M sagte zu der aktuellen Situation: „Wir arbeiten bereits seit Wochen in allen Unternehmensbereichen intensiv daran, die aktuellen Entwicklungen unter Berücksichtigung von Menschen, Geschäft und Umwelt aufzunehmen und bestmöglich zu adaptieren – so auch wenn es um die Wiedereröffnungen unserer Geschäfte geht. In den Bundesländern, in denen wir die Gesamtverkaufsfläche in unseren Geschäften auf den Richtwert von 800 Quadratmeter minimieren können, tun wir dies auch. Daher passen wir die Verkaufsfläche durch Absperrbänder und die Umstellung von Stellwänden an. Selbstverständlich halten wir dabei Fluchtwege frei und die Brandschutzvorschriften ein. Mit Sicherheit wieder da sein, ist hier unser übergeordnetes Ziel.“ Mit Hinweisschildern am Eingang und im Verkaufsraum sowie Fußbodenaufklebern wird bei dem schwedischen High-Street-Fashion-Riesen an das Einhalten der Abstandsregeln von mindestens 1,5 Metern erinnert. Gleichzeitig nutzt man die Aufkleber, um die Wartezeit mit Informationen rund um das Unternehmen zu verkürzen. „Wir sind stolz darauf, dass 7 von 10 Führungskräften bei H&M Frauen sind“, heißt es da, oder: „Ab 2020 stammen 100 % unserer Baumwolle aus nachhaltigen Quellen.“

Weniger Beschränkungen, aber viel Augenmaß

Anders kreativ zeigt man sich im Buchhandel, der in Düsseldorf zwar keinen Größenbeschränkungen unterliegt, aber dennoch umfassende Maßnahmen ergriffen hat. In der Filiale der Mayerschen Buchhandlung an der Königsallee wurde eine einheitliche Laufrichtung festgelegt, so dass die Kunden ähnlich wie in den IKEA-Möbelhäusern durch den Store geführt werden. „Wir haben an den Eingängen Kollegen platziert, die die Kunden in den Rundgang einweisen. Das Desinfektionsspray an den Eingängen wird gut angenommen. Selbstverständlich desinfizieren wir auch die Touchscreens der E-Reader, die zum Testen ausliegen, regelmäßig“, so eine Bereichsleiterin. Auf der Fläche von 3800 Quadratmetern dürften theoretisch 380 Kunden einkaufen, dennoch bleibt man vorsichtig. „Wenn die Kollegen auf den einzelnen Etagen merken, dass es zu voll wird, dann rufen sie im Erdgeschoss an und wir warten mit weiteren Einlässen ab, bis sich die Lage wieder entspannt hat.“

 

„Schwierige“ Produkte, einfache Lösungen

Und auch das Testen der Kosmetika unterliegt jetzt anderen Regeln. © Ilona Marx

Und auch das Testen der Kosmetika unterliegt jetzt anderen Regeln. © Ilona Marx

Bei Douglas warten Gratismasken auf die Kunden. © Ilona Marx

Bei Douglas warten Gratismasken auf die Kunden. © Ilona Marx

Besondere Bedingungen, die weit über die Vorsichtsmaßnahme der Flächenbegrenzung hinausgehen, müssen Parfümerien in der aktuellen Situation schaffen. Die große Douglas-Filiale auf der Königsallee tritt der Krise nicht nur mit Leitlinien und Absperrungen im Kassenbereich, mit Gratis-Masken, Desinfektionsmittel und Personeneinlassbeschränkungen entgegen, sondern hat auch strenge Regelungen bezüglich des Einkaufsprozesses selbst getroffen. So dürfen Cremes nur mit Wattestäbchen aus den Testern entnommen werden, Make-up und Lippenstifte nur auf Papiertüchern ausprobiert werden. Eine Selbstverständlichkeit eigentlich in der aktuellen Situation, aber dennoch zeigt gerade dieses Beispiel, dass es selbst für den Verkauf „schwieriger“ Produkte eine (zum Teil einfache) Lösung geben kann.

Der deutsche Einzelhandel stellt gerade unter Beweis, dass Improvisationstalent und Flexibilität zu seinen Tugenden gehören, dass man den Kopf nicht in den Sand steckt, sondern vielmehr Eigeninitiative entwickelt. Und vielleicht gehört die 800-Quadratmeter-Regelung ja, so wie in Baden-Württemberg, schon in wenigen Tagen der Vergangenheit an und der Handel kann den nächsten Schritt zurück in die Normalität vollziehen.

 

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