11. August 2021 | Interview, Retail Marketing, Young Professionals

Wie Service-Learning-Projekte Studierende auf das Berufsleben vorbereiten und Einzelhändler und Innenstädte stärken können

von Elisa Wendorf (exklusiv für EuroShop.mag)

Im Studiengang „BWL – Energie und Klimaschutz“ an der Hochschule Biberach (HBC) haben Studierende die Möglichkeit, ihre fachlichen Kompetenzen in gemeinnützige Aufgabenstellungen einzubringen. Dafür kommen in sogenannten Service-Learning-Projekten Methoden wie Design Thinking zum Einsatz.

Das Ganze läuft unter anderem in Kooperation mit Institutionen der Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen oder Städten und Gemeinden. Im vergangenen Semester haben Studierende sich mit innovativen Lösungen für den Einzelhandel im Rahmen der Coronapandemie befasst. Wir haben mit Prof. Dr. Jochen Weilepp gesprochen, der die Projekte initiiert.

Herr Weilepp, was hat es mit Ihren Service-Learning-Projekten auf sich?

Jochen Weilepp: Service Learning ist eine Lehr- und Lernmethode, die Lernen an der Hochschule oder in anderen Institutionen mit organisationaler Praxiserfahrung und gesellschaftlichem Engagement verbindet.

Projekte zwischen akademischen und außerakademischen Einrichtungen und Personen eröffnen dabei besondere Chancen für alle Beteiligten: Studierende kommen mit praktischen Anwendungen des akademisch gelernten Wissens in Berührung. Lehrende erschließen sich neue Felder und generieren auch für ihre Forschung neue Fragestellungen. Die externen Partner profitieren von der Kreativität und Neugier der Studierenden; die Zusammenführung von Praxis- und Wissenschaftsorientierung ermöglicht letztendlich eine Qualitätssteigerung der erzielten Projektergebnisse. Innovationsmethoden wie Design Thinking bieten ein reichhaltiges Angebot an Kreativitätstechniken und kommen in den Service-Learning-Projekten verstärkt zur Anwendung. Dabei ist der grundlegende Ansatz des Design Thinkings, Probleme zu lösen und neue Ideen zu entwickeln.

Mann im Anzug lächelt in die Kamera

Prof. Dr. Jochen Weilepp// © Hochschule Biberach

Wie fügt sich das Projekt in das Studium ein?

Der Studiengang „BWL – Energie und Klimaschutz“ bereitet Studierenden auf deren Einsatz in energiewirtschaftlich geprägten Unternehmen vor. Dennoch steht die Betriebswirtschaftslehre mit all Ihren Teildisziplinen – wie Buchführung und Finanzierung, Marketing, Organisation, strategisches Management und Personal aber auch Kreativitätsmethoden – im Vordergrund. Das Modul Entrepreneurship im sechsten Semester soll Studierende zum einen an die Idee des Gründens heranführen und zum anderen die Querverbindungen zwischen den einzelnen betriebswirtschaftlichen Disziplinen aufzeigen. Wenn dabei die Lust am „Gründen“ geweckt wird – umso besser!

Was müssen die Studierenden genau tun?

Die Studierenden müssen zu einer vorgegebenen Design Challenge zunächst einen Geschäftsidee entwickeln und deren Marktfähigkeit hinterfragen und gegebenenfalls nachschärfen. Danach werden in einem angeleiteten Prozess alle wichtigen Elemente eines Businessplanes ausgearbeitet. Der Kurs endet mit einer Businessplanpräsentation vor einer externen Jury – bestehend aus Venture Capitalists, Business Angels und Wirtschaftsförderern. Dafür werden alle Modelle angesehen, bewertet und zum Teil auch kontrovers diskutiert. Teams, die Ihre Businesspläne weiter entwickeln wollen, können das mit Unterstützung unseres Gründerzentrums tun.

Was erhoffen Sie sich von den Endergebnissen der ausgearbeiteten Businesspläne?

Im Vordergrund steht die angewandte Lehre. Die Studierenden sollen ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse anhand eines sehr praktischen Beispiels anwenden. Als Zusatzziel möchten wir den „Appetit“ auf das Gründertum anregen. Wichtiger als die Endergebnisse dieser Projekte selbst ist der Weg dorthin. Die Studierenden sollen verstehen, wie die Disziplinen in einem Unternehmen verzahnt sind.

Auch ist die praktische Erfahrung der Studierenden ein wichtiger Punkt. Sie erleben, dass ihr Engagement gleichermaßen akademisch wie gesellschaftlich relevant sein kann. Das hat sich als sehr prägend und motivierend für die Studierenden erwiesen. Service Learning befähigt Studierende zu kritischem, verantwortungsvollem und gesellschaftlichem Handeln.

Im diesjährigen Sommersemester sollten die Studierenden am Beispiel der Stadt Stuttgart neue Geschäftsmodelle entwickeln, anhand derer Einzelhändler gestärkt aus der Pandemie hervorgehen können. Welche Erkenntnisse konnten Sie im Rahmen des Projektes bereits gewinnen?

Im Rahmen unserer Design Challenge zu den Konsequenzen der Coronapandemie auf Innenstadtgeschäfte war der größte Erfolg, überhaupt zu verstehen, was diese Unternehmen belastet. Darauf aufbauend wollen wir spezifischere Fragestellungen – zum Beispiel zur Konkurrenz durch den Onlinehandel – bearbeiten. Zu einer finalen Gründung ist es noch nicht gekommen, aber das ist nicht überraschend. Die wenigsten Ideen führen zum Schluss zu Gründungen. Das ist wie im richtigen Leben.

Haben kooperierende Händler bereits vom Input der Studierenden profitieren können? 

Das Partnerunternehmen in Stuttgart hat die gesamten Abschlussunterlagen der Studierenden erhalten und die Abschlusspräsentationen gehört. Einige Ansätze haben der Geschäftsführung sehr gut gefallen und sie überlegen in der Tat, sie umzusetzen. Die Unternehmen erhalten für solche Ideen Marktanalysen, die sie sonst vielleicht nicht erstellt hätten.

Planen Sie aufgrund der aktuellen Lage im nächsten Semester ein ähnliches Modell anzubieten?

Die Aufgabe „Gewerbetreibenden in den Innenstädten zu helfen, nach der Coronapandemie wieder durchstarten zu können“, war eine Design Challenge, wie wir sie jedes Semester neu ersinnen. Wir werden diese vermutlich in modifizierter Form im nächsten Semester nochmals anbieten.

Wie ist das Feedback der Studierenden auf ihr Projekt?

Zu Beginn ist es immer eine Hass-Liebe, weil das Projekt einfach sehr viel Arbeit und Engagement erfordert. Im Laufe der Zeit kippt meist die Stimmung. Die Studierenden sehen die Geschäftsidee plötzlich als ihr „Baby“ und dann blühen Studierende auf, die man als Professor manchmal schon aufgegeben hat! Das formale Feedback am Ende ist immer exzellent! Oft wird explizit erwähnt, dass sie in keinem anderen Kurs so viel gelernt hätten.

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