18. November 2021 | Interview, Retail Marketing, Shopping Today

Worauf kommt es bei der Betreuung der Kundschaft mittlerweile an?

Die fortschreitende Digitalisierung bringt Veränderungen in vielen Bereichen mit sich. Ganz vorne mit dabei ist das Thema Kundenservice.

von Katja Laska (exklusiv für EuroShop.mag)

Holger Friesz, Vice President Commercial des Anbieters für Remote-Desktop-Software AnyDesk, sprach mit uns über die Veränderung von Kundenerwartungen, Beratungsmöglichkeiten und die entscheidende Rolle der Hersteller und Dienstleister in diesem Wandlungsprozess.

Holger, wie hat sich das Thema Kundenservice – auch im Zuge der Pandemie – verändert?

Holger Friesz: Losgelöst von jeglichen Branchen, sehe ich im Wesentlichen drei grundlegende Veränderungen:

  1. Der Zugang zu Kunden und Kundinnen ist nicht mehr der gleiche. Rechtliche Bestimmungen, Reisebestimmungen, Home-Office-Pflicht – all das hat insbesondere in den vergangenen Monaten zu weniger Mobilität geführt, was auch unsere gewohnten Prozesse beeinflusst hat. Kunden und Kundinnen brauchen für eine Beratung keinen Vor-Ort-Termin mehr, Service funktioniert auf vielen Ebenen auch aus der Distanz.
  2. Die Erwartungshaltung ist eine andere als noch vor dem digitalen Zeitalter, sie ist in gewisser Weise gestiegen, denn viele Kunden und Kundinnen sind mittlerweile durch digitale Lösungen gewohnt: Ein Klick, ein Login und schon wird mir geholfen.
  3. Viele Kunden und Kundinnen helfen sich gerne selbst und nehmen seltener externe Tipps entgegen. Hier sieht man auch einen klaren Generationenunterschied von der Generation Babyboomer zur Generation X bis hin zur Generation Y. Es fand ein deutlicher Digitalisierungsschub statt, der auch das Thema Self-Services angeschoben hat. Ein Beispiel: Wer seine Kreditkartendaten, die er oder sie einmal hinterlegt hat, ändern möchte, loggt sich ein und erledigt dies mit ein paar Klicks selbst. Früher wäre dafür ein Anruf bei einer Service-Hotline nötig gewesen, der viel mehr Zeit in Anspruch genommen hätte.
Profilfoto von Holger Friesz

©Holger Friesz/AnyDesk

Was ist denn das Wichtigste, was Händler und Händlerinnen in diesem Zusammenhang im Blick behalten sollten?

Grundsätzlich geht es darum der Kundschaft ihr Erlebnis angenehmer und einfacher zu machen. Und das beginnt oft nicht erst beim Händler oder der Händlerin, sondern schon bei dessen Dienstleistern und Dienstleisterinnen, denn: Machen diese einen guten Job, kann der Händler oder die Händlerin sich den wichtigen Dingen widmen, seinen Kunden und Kundinnen. Diese Herangehensweise nennt sich Customer Success Management. Das ist auch unser Hauptaugenmerk bei AnyDesk: Der Erfolg unserer Kunden und Kundinnen – also des Händlers oder der Händlerin – soll durch den Einsatz unserer Technologie und unserer Dienstleistung maximiert werden.

Welche Rolle spielt denn künstliche Intelligenz für diesen Erfolg?

An Thema AI und künstliche Intelligenz haben sich schon viele die Finger verbrannt, man sollte vor dem Einsatz einer solchen Technologie überlegen, wofür möchte ich sie einsetzen? Im Bereich Chat- oder Telefonberatung funktioniert KI beispielsweise sehr gut. Das Leistungsfeld ist begrenzt, die KI kann schnell lernen. Oft kommen in digitalen Hilfe-Bereichen von vielen Kunden und Kundinnen die gleichen Fragen oder ähnliche Anliegen, ebenso wie am Telefon. Hier ist Automation durchaus hilfreich, entlastend und auch sinnvoll. Auch im Backend bei der Analyse der Kundendaten beobachten wir den Einsatz von KI immer häufiger. Diese hilft dabei, den sogenannten Kunden-Fußabdruck, den der Kunde oder die Kundin im (Online-)Shop hinterlassen hat, zu verfolgen und somit mehr über die Zielgruppe zu erfahren. Auch das hilft schlussendlich den Service zu verbessern.

Screenshot des AnyDesk-Angebot; copyright: AnyDesk

©AnyDesk

Digitalisierung, online, KI – Was ist mit dem altbekannten stationären Handel und direktem Kundenkontakt? Verliert diese Art von Beratung an Bedeutung?

Ein klares Ja oder Nein ist hier schwierig. Aus meiner Sicht wird es immer einen Offline-Service geben, der allerdings nur bei bestimmten Angeboten und Produkten funktioniert. Ein Beispiel: Ich möchte einen neuen Fernseher kaufen. Dafür brauche ich nicht ins Geschäft zu gehen, denn ich kann mir online Tutorials zur Bedienung anschauen und in Foren Erfahrungsberichte anderer Käuferinnen und Käufer lesen. So bekomme ich deutlich mehr Infos, die der lokale Händler oder die lokale Händlerin so gar nicht für mich hat. Es sei denn, sie oder er hat sich ebenso intensiv eingelesen zu diesem bestimmten Gerät.

Bei einem komplexen Home-Entertainment-System sieht die Sache schon etwas anders aus. Hier gehören neben dem Fernseher eine Lichtanlage-Steuerung mit Audio samt Smart-IoT-Devices dazu. Da bin ich mit der Informationsflut im Internet gegebenenfalls einfach überfordert. In fünf Foren stehen zu den einzelnen Teilen viele verschiedene Meinungen, jeder sagt etwas anderes und in dem Moment würde ich mich auf den Experten oder die Expertin im Laden verlassen: Mir wird ein individuelles Set zusammengestellt und die Komplexität, die dieser Kauf mit sich bringt – das Gesamtsystem muss schließlich miteinander harmonieren – abgenommen. Und deswegen: Offline-Service ja, vor allen Dingen in den komplexeren Bereichen, weniger in den simplen Strukturen.

Also ist der Mittelweg der richtige?

Meiner Ansicht nach, ja. Der stationäre Handel muss sich auf jeden Fall über das ideale Kundenerlebnis Gedanken machen und entscheiden, an welchen Punkten sich digitale Tools auszahlen könnten. Die wichtigen Fragen sind hier: Bei welchen Anliegen kann sich die Kundschaft selbst helfen? Welche Services kann ich als Händler oder Händlerin online anbieten und wann ist ein Besuch in meinem Geschäft vor Ort sinnvoll – für mich und den Kunden oder die Kundin?

Und abschließend: Welche weiteren (Technologie)-Trends spielen für eine langfristige Kundenbindung und den Kundenservice eine wesentliche Rolle?

Die Welt wird sich zunehmend vernetzen, daran muss auch der Handel teilnehmen. Insbesondere das Thema IoT wird immer wichtiger. Mein Appell an alle Hersteller: Denkt darüber nach, wie ihr eure Systeme vernetzbar macht, sodass die einzelnen Teile miteinander „sprechen“. Insbesondere Cybercrime hat seit Beginn der Pandemie drastisch zugenommen. Dessen muss man sich einfach bewusst sein. Hier muss Sicherheit herrschen. Das erwartet auch die Kundschaft. Beachtet man das, generiert man auch Kundenzufriedenheit und das kommt Händlern und Händlerinnen schlussendlich zugute. Ein weiterer Punkt: Technologie ist nicht dazu da, die Welt und auch das Ein- und Verkaufen zu verkomplizieren. Sie ist dafür da, den Menschen zu helfen. Damit das klappt, müssen sich Händlerinnen und Händler immer wieder in ihre Zielgruppe hineinversetzen. Was möchte ich an wen adressieren? „Simplicity as a Service“ – das sollte das Motto sein. Bei uns, AnyDesk, ist das der Leitspruch.

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