11. April 2022 | Interview, Leading Voices, Retail Technology, Shopping Today

Händler und Händlerinnen bieten mittlerweile eigene Apps an, um auf den Smartphones ihrer Kundschaft präsent zu sein – aus gutem Grund

Von Julia Pott (exklusiv für EuroCIS.mag)

Das Smartphone dient längst nicht mehr nur als Mobiltelefon, sondern auch als Geldbörse und wichtigste Verbindung zwischen Anbieter bzw. Anbieterinnen und Konsumenten bzw. Konsumentinnen.

Wie wichtig es daher für Unternehmen ist, per App auf den Smartphones ihrer Kunden und Kundinnen vertreten zu sein, erläutert Franz Tretter, Gründer und CEO von hello again, einem Spezialisten für digitale Kundenbindung und individuelle Kommunikation, im Interview.

Ein Porträt des Interviewpartners Franz Tretter im "hello again" Büro; Copyright: hello again

Franz Tretter, Gründer und CEO von hello again © hello again

Herr Tretter, welche Bedeutung hat Kundentreue für den Handel?

Gerade die Pandemie hat den Unternehmen gezeigt, wie wichtig Kundenbindung ist und wie groß die Vorteile von Digitalisierung sein können. Für viele Unternehmen war es während der diversen Lockdowns eine Herausforderung, mit den Kunden und Kundinnen in Kontakt zu bleiben. Die Wechselbereitschaft von Kunden und Kundinnen ist unter normalen Umständen schon extrem hoch. Wenn das Geschäft um die Ecke geschlossen hat, wird diese Situation noch verstärkt. Der Onlinehandel gewann noch mehr an Bedeutung. Daher ist in den letzten Monaten vielen Unternehmen bewusst geworden, wie wichtig es ist, in ihre Bestandskunden und -kundinnen zu investieren. Denn sie sind es, die letztlich am meisten Umsatz bringen. Je länger ein treuer Kunde oder eine treue Kundin erhalten bleibt, desto höher ist der Wert dieses Kunden bzw. dieser Kundin für das Unternehmen. Neue Kunden und Kundinnen zu gewinnen kostet bekanntlich um ein Vielfaches mehr als Stammkunden und Stammkundinnen zu halten.

Stichwort Apps: Welche Vorteile bieten sich Händler und Händlerinnen, wenn sie mit einer eigenen App an ihre Kunden und Kundinnen herantreten?

Der erste und entscheidende Vorteil ist ganz klar: Eine eigene App ermöglicht es dem Händler oder der Händlerin, näher am Menschen zu sein. Das Smartphone ist das meistgenutzte Medium der Gesellschaft – mit einem App Icon am Homescreen einer Person ist man kontinuierlich im Kopf der Konsumenten und Konsumentinnen. Die Brand Awareness steigt. Dann kommt noch dazu, dass Unternehmen über die App direkt über Push-Nachrichten mit ihren Kunden und Kundinnen kommunizieren können: immer und überall – auch außerhalb der Geschäftszeiten.

Ein weiterer Vorteil, der immer mehr an Relevanz gewinnt, ist natürlich auch der Datenschutz. Spätestens seit der DSGVO sind sich alle Unternehmen bewusst, wie wichtig der sorgsame Umgang mit Kundendaten ist. Bei einer eigenen Lösung liegt die Datenhoheit bei dem Händler oder der Händlerin selbst, nicht bei einem Drittanbieter.

Wie setzt man eine eigene App um, so dass diese überhaupt erstmal von Kunden und Kundinnen installiert wird?

Da gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, aber alles läuft auf eines hinaus: Wenn der Kunde oder die Kundin einen Mehrwert in der Nutzung der App sieht, dann wird er oder sie diese auch installieren und nutzen. Zu Beginn ist das oft ein Gutschein oder spezielles Angebot, das an den Download der App gekoppelt ist. Das funktioniert in den meisten Fällen sehr gut, um die Downloads und Registrierungen anzukurbeln. Aber entscheidend ist, was danach passiert. Wenn ein Kunde oder eine Kundin die App nach dem Download sofort wieder löscht, dann hat er oder sie sich zwar vermutlich ein paar Euro bei dem Einkauf gespart, aber einen langfristigen Nutzen hat das für keine Seite. Denn erst durch die regelmäßige Nutzung der App entfaltet diese ihr volles Potenzial. Daher raten wir unseren Kunden und Kundinnen immer, die aktiven Nutzer und Nutzerinnen im Blick zu haben.

Wie schafft man es, dass die Kundschaft diese dann regelmäßig nutzt?

Als Händler oder Händlerin muss man attraktive Prämien zur Verfügung stellen, damit Konsument und Konsumentin einen Sinn darin sehen, darauf hinzuarbeiten und Punkte zu sammeln. Mit personalisierter Kommunikation kann man die Kunden und Kundinnen regelmäßig an Angebote und Prämien erinnern, um mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Aber dieses Thema geht natürlich weit über die App selbst hinaus. Wenn das Personal in der Filiale beim Kaufvorgang auf die App und die damit einhergehenden Vorteile hinweist, wirkt sich das auch erheblich auf die Nutzung aus. Viele unserer Kunden und Kundinnen setzen auch auf POS-Materialien wie Flyer oder Plakate. Eine Funktion unserer Lösung, die bei unseren Kunden und Kundinnen ganz besonders beliebt ist: die Freunde bzw. Freundinnen einladen-Funktion. Jeder weiß, wie wichtig Empfehlungen und Bewertungen heutzutage sind. Daher bieten viele Händler und Händlerinnen ihren Kunden und Kundinnen eine Prämie oder Punkte als Dankeschön für eine Weiterempfehlung.

Drei Ansichten eines Smartphones mit geöffneter "myshop" App; Copyright: hello again

Kundenbindungs-App von hello again © hello again

Können Sie konkrete Beispiele aus dem Einzelhandel beschreiben, wie solche Apps gestaltet und welche Ziele damit verfolgt wurden?

Es kommt auf die Ziele an. Viele möchten die Digitalisierung zu ihren Gunsten nutzen. Ein Beispiel hierfür ist die Drogeriekette Müller. Das Unternehmen startete mit einer großen Digitalisierungsoffensive im ganzen Unternehmen und es war von Anfang an klar, dass digitale Kundenbindungs-Lösungen ein zentrales Thema dabei sein werden. Mittlerweile ist Müller Innovations-Vorreiter in der Branche und entwickelt sich laufend weiter. Erst vor wenigen Monaten wurde wieder ein neues Feature in die App integriert: MüllerPay. Nun können Kunden und Kundinnen beim Scan der digitalen Kundenkarte Punkte sammeln, Coupons einlösen, bezahlen und die Rechnung digital in der App speichern. Auch bei anderen Unternehmen steht persönliche, automatisierte Kommunikation oft im Vordergrund, da Unternehmen den direkten Kontakt mit ihren Kunden und Kundinnen suchen. Sie möchten sich von der Konkurrenz abheben und die Kundenbindung stärken.

Welche Effekte und Verbesserungen machen sich für die Einzelhändler und Einzelhändlerinnen Ihrer Erfahrung nach, bemerkbar? Und wie sieht es bei der Kundschaft an?

Es sind viele verschiedene Effekte, die in Summe dazu führen, dass der Händler bzw. die Händlerin erfolgreicher wird und letztlich auch langfristig seinen bzw. ihren Umsatz steigert. Es beginnt damit, dass ein Händler bzw. eine Händlerin Kunden und Kundinnen identifiziert. Das ist vor allem im stationären Handel ansonsten kaum möglich. Durch diese Identifizierung werden bei jeder Interaktion zwischen Kunde bzw. Kundin und Unternehmen Informationen gesammelt, die wiederum für eine personalisierte Kommunikation verwendet werden können. Der Kunde oder die Kundin freut sich darüber, dass er oder sie nicht mit Themen, die ihn oder sie nicht interessierten, zugemüllt wird und der Händler bzw. die Händlerin kann die Auswirkungen einzelner Kommunikationsmaßnahmen messen und optimieren. Und natürlich wird eine Nachricht am Sperrbildschirm des Smartphones anders wahrgenommen als ein Flugblatt mit Angeboten, die einen Kunden oder eine Kundin gar nicht interessieren.

Das Smartphone ist in unserer Gesellschaft das wichtigste Medium und ersetzt zunehmend sogar die Geldbörse. Daher ist es so besonders wichtig als Unternehmen darauf vertreten zu sein. Der Treue-Club selbst wirkt sich spürbar auf folgende Variablen aus: die Kundenfrequenz und den Durchschnittswarenkorb. Beides wird durch das Anreizsystem erhöht und wirkt sich positiv auf den Umsatz aus. Der klare Vorteil für Endkonsumenten ist natürlich, dass sie auch von dem Treue-Club profitieren. Sie bekommen besondere Angebote und sparen sich dadurch etwas Geld bei ihren Einkäufen.

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