11. April 2023 | Energy Management, Refrigeration, ReTell, Visions of Retail

Das „Refrigerant Transition Hub“ soll Einzelhändlern in Nordamerika bei der Kältewende helfen

von Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

Was haben der Joghurt und die Erde gemeinsam? Sie müssen gekühlt werden! Klingt merkwürdig, aber es stimmt: Joghurt bleibt nur haltbar, wenn die Kühlkette nicht unterbrochen wird und die Erde wird voraussichtlich nur bewohnbar bleiben, wenn wir die Erderwärmung begrenzen. Na gut, der Zusammenhang ist ein wenig fadenscheinig.

Kühlregale in einem Supermarkt; Copyright: Eduardo Soares/Unsplash

© Eduardo Soares/Unsplash

Es gibt aber eine Verbindung, die unbestreitbar ist: Die Kühlung von Nahrungsmitteln in Lebensmittelgeschäften ist tatsächlich unmittelbar mit der Erderwärmung und der Klimaentwicklung verknüpft. Denn laut dem North American Sustainable Refrigeration Council (NASRC), einer gemeinnützigen Umweltorganisation, die sich für die Förderung klimafreundlicher natürlicher Kältemittel einsetzt, spielen Supermärkte eine bedeutende Rolle, wenn es um die Erreichung globaler Klimaziele und die Begrenzung der Erderwärmung geht.

Kühlung, Kältemittel und Klimawandel

Viele Lebensmittelgeschäfte setzen Fluorkohlenwasserstoff-Kältemittel oder FKW (im Englischen hydrofluorocarbon refrigerants oder HFCs) ein. FKW gelten als „Super-Treibhausgase“, weil sie enorm viel Wärme speichern. Gleichzeitig steigt der Bedarf an FKW, da die Nachfrage nach Kühlung und Kältetechnik weltweit zunimmt.

Der NASRC hat einige Daten gesammelt, um die Rolle der FKW im Lebensmittelhandel für den Klimawandel zu verdeutlichen:

  • Der Global-Warming-Effekt von FKW kann mehrere Tausend mal höher sein als von CO2.
  • FKW-Emissionen könnten bis zum Jahr 2100 0,5°C zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen.
  • Etwa 60 % der FKW-Emissionen sind auf Lecks in Kühl- und Klimaanlagen zurückzuführen.
  • Und zu diesen Emissionen trägt die kommerzielle Kühlung etwa 36 % bei. Durchschnittlich verlieren Supermärkte pro Jahr etwa 25 % ihrer gesamten Kältemittelmenge.

Mithilfe internationaler Abkommen und nationaler Gesetze soll der Einsatz von FKW eingedämmt werden. So trat in den USA 2020 der AIM Act in Kraft, ein Gesetz, das die Treibhausgasemissionen von FKW bis 2036 schrittweise um 85 % reduzieren soll. Auch in der EU strebt die Verordnung über fluorierte Treibhausgase an, FKW bis zum Jahr 2030 auf ein Fünftel der heutigen Verkaufsmengen abzusenken.

Was aber bedeutet die FKW-Reduzierung für Händler?

Eine interaktive Karte, ob und wie US-amerikanische Bundesstaaten die Reduktion von FKW-Kältemitteln gesetzlich angehen; Copyright: NASRC

Auf der Homepage des NASRC zeigt eine interaktive Karte, ob und wie US-amerikanische Bundesstaaten die Reduktion von FKW-Kältemitteln gesetzlich angehen. Die hellblau eingefärbten Staaten haben sich dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens angeschlossen, die dunkelblau eingefärbten Staaten beabsichtigen, FKW-Kältemittel gesetzlich zu regulieren. Lediglich die grün eingefärbten Staaten haben eine solche Regulierung bereits beschlossen.
Grafik: Screenshot www.nasrc.org/hub // © NASRC

„Die FKW-Vorschriften des AIM Acts und mehrerer Bundesstaaten setzen die Einzelhändler unter Druck, auf klimafreundliche Kältemittel umzusteigen“, mahnt Danielle Wright, Geschäftsführerin der NASRC, in einer Pressemitteilung, denn solche Maßnahmen führten zur Verknappung von Kältemitteln und zu erheblichen Preissteigerungen. Aber es gibt auch gute Nachrichten, denn die Frage der kommerziellen Kühlung „[…] ist eines der seltenen Klimaprobleme, für die es heute schon eine technologische Lösung gibt“, erklärt Wright.

Eine gute Lösung, findet nicht nur der NASRC, ist der Umstieg auf klimafreundlichere Kältemittel mit einer deutlich geringeren Wirkung auf die globale Erderwärmung. Natürliche Kältemittel sind beispielsweise Kohlenwasserstoffe wie Propan oder Butan, aber auch Gase wie Kohlendioxid und Ammoniak. (Mehr zu CO2 als natürlichem Kältemittel können Sie in unserem Beitrag zu innovativen Kälteanlagen bei Co-op UK erfahren.)

Um genau diesen Wandel voranzubringen und Unternehmer hierbei zu unterstützen, wurde das Refrigerant Transition Hub ins Leben gerufen. Zu den bereitgestellten Ressourcen gehören Informationen, Podcasts und Veranstaltungen zur aktuellen Gesetzeslage, zu den Kältetechnologien und zur finanziellen Förderung für Umstellungsprojekte. Wright wirbt für das Angebot des NASRC: „Einzelhändler brauchen neutrale Informationen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Die NASRC arbeitet mit der Supermarktbranche zusammen, so dass wir in einer einzigartigen Position sind, um die Lücken in den verfügbaren Ressourcen zu identifizieren.“

Umbau, Finanzierung und Personal: Aufgaben für alle

Es gibt allerdings einige Hürden zu überwinden: Die Einstiegskosten für die Anschaffung einer Kälteanlage, die auf natürlichen Kältemitteln basiert, sind hoch, Technik und Installation kosten mehr als bei herkömmlichen FKW-Anlagen. Bei der Einrichtung neuer Geschäfte mag die Investition es vielen Händlern noch Wert sein, für den Austausch bestehender Anlagen allerdings muss höchstwahrscheinlich noch mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden. Hier müssen finanzielle Anreize, innovative Finanzierungslösungen und Förderungen geschaffen werden.

Eine weitere Herausforderung für die Industrie und die Gesellschaft ist es, genug qualifiziertes Personal für den Einbau und die Wartung der Technologien zu gewinnen.

Auf lange Sicht können sich solche Investitionen aber lohnen. Am Beispiel einer Filiale des Grocery Outlet in Sacramento, Kalifornien zeigten sich nach der Umstellung deutliche Einsparungen beim jährlichen Energieverbrauch (27 %) und bei den Energiekosten (23 %) sowie eine starke Reduzierung der ausgestoßenen Treibhausgase: 36 % gegenüber einer vergleichbaren Filiale mit FKW-Anlage und 92 % im Vergleich zum nationalen Durchschnitt laut der Environmental Protection Agency, der US-amerikanischen Umweltbehörde.

In Deutschland finden Händler, die sich mit dem Thema beschäftigen, beispielsweise beim Handelsverband HDE Beratung und Ressourcen. Dazu gehören Leitfäden, Checklisten und Förderprogramme, die helfen sollen, Energie im Bereich Kühlung einzusparen und umweltfreundlichere Technologien einzusetzen. Was laut der HDE-Homepage in dieser Umbauphase ebenfalls wichtig ist: die Verknüpfung von Handelsunternehmen mit Fachbetrieben und die Zusammenarbeit innerhalb der Branche. „Wir haben eine riesige Chance, eines der größten Umweltprobleme der Supermärkte zu lösen“, fasst Danielle Wright die Situation zusammen. „Dazu brauchen wir alle Interessengruppen an einem Tisch, mit der Bereitschaft, Lösungen voranzutreiben.“

Tags: , , , , , , ,

Ähnliche Beiträge