2. Mai 2023 | Retail Technology, ReTell, Visions of Retail

Die Vorteile der Zustellung per Drohne im Handels- und Food-Sektor

von Julia Pott (exklusiv für EuroCIS.mag)

Es regt sich etwas im Himmel: Die kommerzielle Drohnenlieferung macht Fortschritte – auch wenn bisher nur wenige Player über Testprojekte hinaus am Markt aktiv sind.

Sie bewegen sich durch die Luft, daher könnte man meinen, Drohnen müssten nur wenige Hindernisse umfliegen. Ganz so einfach ist es aber nicht: Die Sicherheit im Luftraum muss gewährleistet sein und je mehr kommerzielle und private Drohnenbetreiber hinzukommen, desto größer wird diese Herausforderung. Vielleicht haben sich auch deshalb viele Gesetzgeber schwergetan, Regelungen für den kommerziellen Drohnenflug zuzulassen, der technisch schon länger möglich ist. In den vergangenen Jahren gab es aber Fortschritte, nicht nur in den USA und Asien, auch in Europa, wie unsere Beispiele zeigen werden.

Lieferung per Drohne: Nachfrage, Kosten, Personal

Die fehlende Nachfrage auf Seiten der Konsumentinnen und Konsumenten ist wohl keines dieser Hindernisse. Am Beispiel der USA fand der Drohnen-Software-Anbieter Auterion 2022 in einer Umfrage heraus, dass 64 Prozent der Befragten die Drohnenlieferung jetzt oder in naher Zukunft als realistische Form der Zustellung ansehen.  Und immerhin 41 Prozent der Befragten wären auch bereit, bis zu 10 US-Dollar Aufschlag für eine Lieferung via Drohne zu bezahlen. „Amerikanerinnen und Amerikaner sind bereit für die Zustellung ihrer Pakete durch Drohnen, und Einzelhändler, die Drohnenzustellungsprogramme einführen und ausbauen, werden der Zeit voraus sein“, deutete Lorenz Meier, CEO von Auterion, die Ergebnisse.

Eine Drohne mit einem Paket steht auf einem Tisch

© Meituan

Eine weitere potenzielle Herausforderung, um neue Technologien wie den kommerziellen Drohnenflug zu etablieren, sind die Kosten. McKinsey & Company hat diese bei der Drohnenlieferung im Vergleich zur Zustellung via Fahrzeug untersucht: Die Drohnenlieferung ist pro Paket noch teurer als die am Boden, vor allem da Drohnen meist nur eine geringe Liefermenge transportieren können. Das kann sich aber ändern, so McKinsey & Company, sobald autonom fliegende Drohnen verwendet werden und eine Person mehrere dieser Drohnen beaufsichtigen und steuern kann.

Wo die Straße endet, startet die Drohne erst richtig durch

Auswirkungen auf die Kosten und den Aufwand haben natürlich auch die geografischen Gegebenheiten. In unwegsamem Gelände, bei fehlenden Straßen oder über Wasserflächen können Drohnen ihre Vorteile ausspielen.

So hat schon 2018 in Islands Hauptstadt der Onlinemarktplatz aha.is mit ferngesteuerten Mini-Helikoptern Essenslieferungen in die nähere Umgebung versandt. Auf den Straßen, die sich rund um Reykjavik um Buchten schlängeln, brauchen Lieferungen länger.

In Japan liefert die Post inzwischen auch per Drohne aus. Seit die japanische Regierung die Regulierungen gelockert hat, zeigen laut der Tageszeitung Nikkei auch die Handelsketten FamilyMart und Lawson Interesse an der Zustellungsart. Seven-Eleven Japan testet schon Drohnenlieferungen auf kleinere abgelegene Inseln im Süden des Landes.

Eine Drohne, die drei Päckchen befördert, und eines davon an einer Seilwinde herablässt

© Wingcopter GmbH

Auch in Deutschland wird darüber nachgedacht, wie Produkte in entlegenere Gegenden gelangen können. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr fördert ein Forschungsprojekt, das von August 2022 bis August 2023 die schnelle Auslieferung von Gütern des täglichen Bedarfs in ländliche Gebiete testen soll: Bei DroLEx (Drohnen-Lastenrad-Express-Belieferung) kommen neben Drohnen auch Lastenfahrräder zum Einsatz: Drohnen verteilen Gebrauchsgüter von einem Zentrallager an kleinere dezentrale Hubs, von wo aus per Lastenrad Bestellungen an Endkundinnen und -kunden zugestellt werden. Die Drohnen stellt die Wingcopter GmbH und auch der regionale Einzelhandel soll ausdrücklich mit eingebunden werden. An der Firma ist seit 2022 auch die REWE Group beteiligt.

Zustellung per Drohne im Einzelhandel: Wo steckt das Potenzial?

Einige Einzelhändler sehen Potenzial in der Zustellung per Drohne an Endkonsumentinnen und -konsumenten und gehen mutig voran. Der US-amerikanische Einzelhandelskonzern Walmart ist früh in das Thema Drohnenlieferung eingestiegen. Gemeinsam mit dem Anbieter DroneUp baut die Handelskette in bisher sieben Bundesstaaten ein Liefernetz aus. In Australien im Südosten von Queensland bietet die Supermarktkette Coles die Drohnenlieferung von Lebensmitteleinkäufen an, gemeinsam mit Wing, einem Tochterkonzern von Alphabet.

Doch dieses Potenzial sehen Händler nicht nur in ländlichen, abgelegenen Gebieten, sondern auch in dicht besiedelten Städten. Ebenfalls in Australien kooperiert Wing laut Forbes mit Vicinity Centers, einem Unternehmen, das Einkaufszentren betreibt. Auf den Dächern der Shopping Malls sollen Drohnen-Hubs platziert werden, von denen aus Kundinnen und Kunden schnell beliefert werden können. So werden zentrale Flächen für die Letzte-Meile-Lieferung genutzt und verstopfte Straßen in Städten umgangen. „Fast zwei Drittel der australischen Bevölkerung leben weniger als 30 Minuten von einem unserer 61 strategisch gelegenen Zentren entfernt“, erklärt Justin Mills, Chief Innovation Officer von Vicinity Centers. „Diese landesweite Präsenz bietet eine starke Grundlage für die Umsetzung unserer Distributions- und Fulfillment-Strategie, indem wir unsere Drohnen-Lieferpartnerschaft mit Wing schnell ausbauen und unsere Logistik-Hubs und Mikro-Fulfillment-Zentren an denselben Standorten weiterentwickeln.“

Drohnenlieferung und Lebensmittel: Wenn das Mittagessen vom Himmel fällt

Ein Papppaket mit Kaffeebechern darin

© Meituan

Gerade für kleine, leichte und schnelle Lieferungen eignet sich die Zustellung per Drohne besonders. Daher ist sie auch für Lieferservices für Mahlzeiten so interessant. Das chinesische Unternehmen Meituan liefert seit Dezember 2022 in Shanghai Lebensmittel, Speisen und Getränke per Drohne. Laut Mao Yinian, dem Leiter der Drohnenliefereinheit von Meituan, überzeugt die kurze Lieferzeit viele Anbieter. Durch die Drohnenlieferung sinke die durchschnittliche Lieferzeit und sorge dafür, dass selbst Kaffee, das Lieblingsgetränk vieler Bürgerinnen und Bürger in Shanghai, frisch bleibe.

Dennoch bleibt die Zustellung durch Drohen in dicht besiedelten Gebieten eine Herausforderung. Wo landen die Flieger sicher? Wo können sie ihre Päckchen so absetzen, dass niemand behindert wird und nur die Adressatin oder der Adressat Zugang zur Lieferung erhält?

Eine Drohne seilt vor einem Wohnhaus ein Paket in einen Postkasten ab

© Dronedek

Dronedek, Anbieter einer Mailbox-as-a-Service-Plattform, hat dafür eine eigene Lösung entwickelt: Dronedeks Postkästen können Lieferungen von autonomen Liefersystemen wie Drohnen empfangen, ihre Batterien wieder aufladen und Lebensmittellieferungen sogar warm oder kalt halten.

Wie jede Form der Zustellung hat die Drohnenlieferung Vor- und Nachteile und wird sich sicher nur dort durchsetzen, wo erstere überwiegen. Aber Nachteile hat die Lieferung auf der Straße schließlich auch. Praktische Anwendungsfälle, bei denen die Drohne punktet, sind schon erlebbar.

 

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