Retail Design: Kommunikation ist der Schlüsselbegriff
16. Oktober 2018 | Interview, Retail Marketing, Shop Fitting, Store Design & Visual Merchandising, Visual Merchandising, Young Professionals

EuroShop.mag im Gespräch mit Prof. Dr. Rainer Zimmermann

Prof. Zimmermann war lange Jahre in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. als CEO von BBDO Germany und Pleon Europe, sowie Professor für Strategische Kommunikation und Mitbegründer des Studiengangs Retail Design an der PBSA (Peter Behrens School of Arts) in Düsseldorf

Ihre berufliche Karriere ist maßgeblich geprägt von der Kommunikation- und Medienbranche. Wie kamen sie zum Design und speziell zum Retail Design?

„Kommunikation ist der Schlüsselbegriff. In dem Geschäft war ich lange tätig, bevor ich dann 2005 zurück an die Hochschule gegangen bin. Die Fakultät Design an der Hochschule Düsseldorf lehrt hauptsächlich Kommunikationsdesign, ich wurde gefragt, ob ich das Lehrgebiet strategische Kommunikation und Marketing übernehmen möchte. Die zweite Welle der digitalen Transformation nahm zu diesem Zeitpunkt gerade Momentum auf und uns fiel auf, dass der Einzelhandel von dieser Entwicklung radikal betroffen sein wird, ohne darauf vorbereitet zu sein. Uns war klar, dass sich die Geschäftsmodelle verändern werden und auch die Rolle des Einzelhandels für die Innenstädte und den öffentlichen Raum. Wir haben dann mit der Entwicklung eines Studiengangs begonnen, der Kommunikation, Design und Marketing speziell für diese Branche lehrt. Wir waren überzeugt, dass hier ein neues Berufsfeld für Kommunikationsdesigner entsteht und dass wir dazu beitragen können, Qualität und Niveau in einer Branche zu steigern, die täglich in der Alltagswirklichkeit aller Menschen vorkommt. In den Jahrzehnten davor hatte sich der Einzelhandel nicht für Design interessiert – und ehrlich gesagt: auch die Designer nicht für den Einzelhandel. Das hat sich auf beiden Seiten gravierend geändert.“

Wie unterscheidet sich der Studiengang Retail Design von einem klassischen Design Studium?

„Retail Design ist Kommunikationsdesign – fokussiert auf eine Branche, zu der neben dem Einzelhandel auch die Gastronomie und filialgebundene Geschäfte gehören. Retail Designer sollen den Kommunikations- und Designbedarf des Einzelhandels beurteilen und gestalten können, dazu gehören die räumliche Gestaltung, die Gestaltung von Kommunikationsmedien und die digitale Kommunikation gleichermaßen. Retail Designer müssen konzeptionell und ganzheitlich denken können, um eine Marke über alle Touchpoints hinweg schlüssig führen zu können.“

Was sollte jemand der sich im Studiengang Retail Design einschreiben möchte an Fähigkeiten und Interessen mitbringen?

„Wir führen eine studiengangsspezifische Eignungsprüfung durch, in der die gestalterische Eignung nachgewiesen werden muss. Gestaltung bleibt, so angewandt sie auch immer sein mag, eine künstlerische Aufgabe. Gestaltung muss sich aber auch in der Praxis bewähren, deshalb suchen wir Menschen mit künstlerischem Anspruch und praktischen Erfahrungen. Unsere Studierenden kommen frisch vom Abitur mit ein oder zwei Praktika, sind Mediengestalter oder Visual Merchandiser und seit zwei Jahren im Beruf, sind Schreinermeister oder hatten angefangen Architektur zu studieren und orientieren sich jetzt neu, kommen aus dem Fashion Design, dem Messebau oder der Nerd-Szene. Ihr Interesse ist, sich theoretisch, in der künstlerischen Gestaltung und vor allem in der praktischen Anwendung weiter zu entwickeln und mehr Verantwortung übernehmen zu können.“

Rendering von Tabea Singendonck aus ihrer BA-Thesis ‚Konzeption und Entwurf eines Fusionstores’ (Food und Gastronomie inkl farm-to-table Hydroponik). Urban farming, Indoor farming und farm-to-table Gastronomie sind erkennbar starke Trends im Retail, auch große LEHs lassen den Salat schon direkt im Laden wachsen.

Den Studiengang gibt’s seit 2013 und dauert 7 Semester, d.h. im Frühjahr 2017 gab es die ersten Abschlüsse. Können Sie uns schon  Beispiele nennen, wie es für Absolventen beruflich weitergeht?

„Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Wir arbeiten ja eng mit verschiedenen Unternehmen der Handelsbranche zusammen, machen gemeinsame Projekte oder vermitteln Praktika. Insofern haben die Studierenden schon während des Studiums Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern und diese Unternehmen können umgekehrt auch die Studenten kennenlernen. Auf diese Weise kommt es in vielen Fällen zu einem nahtlosen Übergang vom Studium in den Beruf. Die ersten Absolventen aus 2017 arbeiten vielfach im Lebensmitteleinzelhandel, der ja im Unterschied zu Fashion wächst und Designabteilungen aufbaut, bei Systemdienstleistern wie Vitra oder auch bei Architektur- und Designbüros. Sie werden in der Regel als Junior Designer übernommen.“

Wie würden Sie das heutige Design im Handel bewerten und wo geht Ihrer Meinung nach die Reise hin?

„Die Ära der Marktbereinigung ist noch lange nicht zu Ende. Online Shopping wächst weiter und dünnt die stationäre Versorgung aus, allerdings vornehmlich in Städten unter 50.000 Einwohnern. Metropolen bleiben retail-intensiv und leben immer stärker vom Tourismus. Der klassische, nicht-vertikale Fashion-Einzelhandel wird nahezu komplett verschwinden, weil er sich in seinen Sortimenten nicht differenziert, stattdessen werden wir ein stark wachsendes Vintage-Segment erleben. Die Wechselwirkungen zwischen stationärem Handel und dem öffentlichen Raum werden neu justiert, in den Innenstädten wird es zunehmend weniger Autos und mehr Fahrräder geben. Verfügbarkeit und Preis sind die Domäne des Internets und spielen stationär keine dominante Rolle mehr. Routinekäufe werden online getätigt, Begehrlichkeitskäufe offline. In diesem Kontext wird die ehemalige Rolle von Kommunikation und Design als Verkaufsförderung obsolet. Es geht vielmehr um Markendifferenzierung und Erlebnismarketing. Eine ganze Reihe von Einzelhändlern haben das zwischenzeitlich erkannt und investieren entsprechend. Weiter Teile der Einzelhandelslandschaft arbeiten aber noch in der alten Logik, Ware kaufen und verkaufen, die Warenumgebung ein bisschen aufhübschen und fertig. Das ist nicht Design, sondern Dekoration. Design ist immer auf das Geschäftsmodell als Ganzes bezogen. Aber wie gesagt: die Marktbereinigung ist in vollem Gange, die Schlechten werden von den Besseren verdrängt.“

rainerhauserlacour1-b, © Rainer Zimmermann/PBSA

Prof. Dr. Rainer Zimmermann, PBSA Düsseldorf

Informationen zum Studiengang Retail Design

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