15. Juni 2022 | Exhibitor´s Corner, Expo & Event Marketing, Interview, Leading Voices

Die Branche wagt einen Neustart – Worauf es jetzt ankommt

Von Katja Laska (exklusiv für EuroShop.mag)

Produkte präsentieren, und zwar persönlich, dabei noch neue Kontakte knüpfen oder alte Bekanntschaften bewahren – das alles zeichnet physische Messen aus. Und endlich scheint es wieder möglich: Die Branche nimmt wieder Anlauf und möchte die Verluste der letzten Jahre hinter sich lassen.  Der AUMA – Verband der deutschen Messewirtschaft vertritt dabei Ausstellende, Veranstalter und Veranstalterinnen, Serviceunternehmen sowie Besuchende und schafft mit Kampagnen wie dem #MesseMonatMai mehr Sichtbarkeit.

Im Interview erklärt Steffen Schulze, Leiter Kommunikation und Marketing, warum gerade das jetzt wichtig ist, welche Rolle die Politik spielt und was die Zukunft bereithalten könnte.

Lächelnder Mann im Anzug mit kurzen, dunklen Haaren - Steffen Schulze; Copyright: Steffen Kugler

Steffen Schulze // © Steffen Kugler

Herr Schulze, warum braucht die Branche solche Kampagnen wie den #MesseMonatMai heutzutage und was war ihr Ziel?

Steffen Schulze: Weil wir in der Messewirtschaft nach geradezu erfolgsverwöhnten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, die wohl am stärksten betroffene Branche der zurückliegenden zwei Jahre Corona-Pandemie sind.

Pauschale Messeverbote haben Messeplätze, Veranstaltende von Messen oder Gewerke wie den Messebau vollkommen unverschuldet an den Rand der Existenz gebracht. Zu unseren Lebzeiten hat es nie einen vergleichbaren Stillstand gegeben. Wir waren zwei Jahre überaus solidarisch. Mit Blick auf das kommende Winterhalbjahr fordert die gesamte Messewirtschaft nun von der Politik: Es darf keine weitere Eiszeit für Messen geben. Wir erwarten kluge, vorausschauende und ausgleichende Konzepte, wie die Messewirtschaft stabil durch das kommende Winterhalbjahr kommt. Das Möglichmachen, nicht das Verbieten muss Kern des politischen Handelns sein. Dafür braucht es auch die Sichtbarkeit und Stärke einer ganzen Branche.

Wie ist Ihr (bisheriges) Fazit des #MesseMonatsMai?

Das Branchenmagazin m+a Report schrieb zum Ende des Monats: „Der #MesseMonatMai hat viele Knoten gelöst und wirkt befreiend (nach). Vor allem aber hat er gezeigt, was die Branche zu leisten vermag respektive gewillt ist zu tun (selbst mit geringen Bordmitteln). Das lässt hoffen für die Zeit nach der tiefen Delle…“ Dem können wir uns nur anschließen.

Vor welchen Herausforderungen stehen Messen mittlerweile?

Messe Düsseldorf Außenbereich mit vielen Menschen; Copyright: Messe Düsseldorf/C.Tillmann

Viele Besuchende genießen das schöne Wetter beim Caravan Salon. // © Messe Düsseldorf/C.Tillmann

Der Nachholbedarf ist enorm. Der enge Messekalender in diesem Sommer, verursacht durch Verbote, Absagen und Verschiebungen der vergangenen beiden Jahre, wird zu stemmen sein. Aber der Kraftaufwand wird auch enorm. Ein Dauerzustand kann das kaum werden. Vor allem die Produktorder-Zyklen etlicher Branchen sprechen gegen mehr Sommermessen. Auch muss sich der international eng verzahnte Messekalender wieder entzerren und einspielen. Wir beklagen aber den Abgang etlicher hochmotivierter Menschen aus unserer Branche. Da scheitert eine Messe schon einmal fast daran, dass ein Elektriker oder eine Elektrikerin fehlt, der oder die die Anschlüsse von Messeständen freischalten muss. Uns fehlen nun vielerorten Fachkräfte bei diesem dritten Neustart seit 2020. Bei Messeveranstaltern wie Dienstleistern und Dienstleisterinnen gab es einen schmerzlichen Verlust an guten Leuten, weil vielen die Perspektive nach langer Schließung fehlte – obwohl es ihr Traumberuf ist.

Messeplanung für ausstellende Unternehmen wie auch für Messeveranstaltenden wird komplexer, da sich digitale und analoge Formate stärker verbinden. Das stellt neue Anforderungen und verlangt zusätzliche Investitionen in Qualifizierung und Technik.

Welche Unterschiede sehen Sie im Vergleich der deutschen Messelandschaft und der in anderen europäischen Ländern oder weltweit?

Deutschland ist Messeland Nummer 1. Messen sind vor allem der Treffpunkt der kleinen und mittelständischen Unternehmen hierzulande. Neun von zehn Ausstellenden auf deutschen Messen haben weniger als 500 Beschäftigte. Unser Mittelstand ist Garant für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Gerade die Hidden Champions mit bis zu 500 Mitarbeitern finden in Deutschland fast 70 Messeplätze vor ihrer Haustür, die sie mit den nationalen, aber vor allem internationalen Märkten verbinden. Während Messen in China vor allem chinesische Ausstellende und Besuchende anziehen, sind Messen made in Germany Anziehungspunkte für die Welt.

Ein Blick in die Zukunft: Wie glauben Sie, sehen Messen in 20 Jahren aus?

Keine Messe sieht in 20 Jahren so aus, wie heute. Aber auch 2022 sieht keine Messe so aus wie 2002. Messen waren schon immer der Spiegel ihrer Branchen. Wandel ist ihr ständiger Begleiter. Nur werden die Innovationszyklen kleiner. Was aber bleibt ist, dass Messen der Ort für Emotionen sind, die erste Adresse für Akquise, der Handelsplatz der Wirtschaft schlechthin – an einem Ort, in der gleichen Zeitzone. Ganz klar: Messen werden künftig sehr viel höhere digitale Anteile haben. Digitalisierung hilft Messeveranstaltenden enorm, zusätzliche Werte für Ausstellende und Besuchende zu schaffen, sei es beim Community-Building oder bei Co-Creation. Über digitale Brücken können neue Zielgruppen erreicht werden, können sich Ausstellende und Besuchende beteiligen, die für einen ersten Eindruck nicht anreisen würden. Aber neue Bindung, innovative Kooperation und langfristige Beziehungen entstehen durch Begegnung: Im Paket gibt’s das nur auf Live-Messen.

Ein Tipp: Was würden Sie Ausstellenden raten, die nach dieser langen Zeit der Schließungen noch unsicher sind, wenn es um das Thema Messeauftritt geht?

Gute Vorbereitung ist der Schlüssel zu spürbaren Messeerfolg. Der AUMA stellt Unternehmen dafür kostenfrei Tipps zur Verfügung – von A wie Auswahl der richtigen Messe über D wie digitale Erweiterungen bis Z wie Ziele setzen. Und natürlich N wie Nachhaltigkeit. Messen haben weder durch die Pandemie noch durch den digitalen Raum an Bedeutung eingebüßt – sie müssen sich aber besser erklären. Wir stellen sogar fest, dass viele Aussteller heute – nach den ersten einschneidenden Jahren der Corona-Pandemie – sogar mehr auf Messen setzen als noch vor Jahren. Digitale Erweiterungen sorgen zudem noch für höhere Reichweiten.

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