5. Mai 2021 | Retail Technology, Visions of Retail

Wie sich Touchdisplays hygienisch und spannend gestalten lassen

von Julia Pott (exklusiv für EuroShop.mag)

Die Kunden zur Interaktion zu animieren sei ein wertvolles Marketing-Tool, hört man von Experten immer wieder. Aber wie lässt sich das in Zeiten einer Viruspandemie (und auch danach) am stationären POS hygienisch, sicher und spannend umsetzen? „Berühren ohne Anfassen“ ist das Motto – und kann mit „virtuellen Touchscreens“ verwirklicht werden.

Eine Grafik von einem Finger, der durch ein Sensorfeld fasst

© HY-LINE

Die Coronapandemie hat das Bewusstsein für Hygiene auf öffentlichen, viel angefassten Oberflächen deutlich erhöht. Bedeutet das das Ende von interaktiven Touchscreens? Muss es nicht. Geräte, Tastaturen und Displays lassen sich tatsächlich auch ohne Berührung bedienen, wenn sie entsprechend konzipiert oder ausgerüstet sind. Dafür gibt es unterschiedliche technische Funktionsprinzipien.

„Berühren“ ohne Anfassen – Wie funktioniert kontaktlose Steuerung?

Gesten „in der Luft“ können beispielsweise von einer Kamera erfasst werden, die auf den Nutzer gerichtet ist. Die Bewegungen werden von einer Software ausgewertet und in Steuerungsbefehle übersetzt. Hersteller wie Intel werben damit, dass sich mit der entsprechenden Kamera und Software jeder Bildschirm in einen berührungslosen Touchscreen aufrüsten lässt.

Bei einer anderen Variante hingegen wird mit Infrarot-Sensoren die Bewegung innerhalb eines definierten Bereiches, eines „virtuellen“ Infrarot-Touchfelds, aufgenommen. Die Aufnahme der Bewegung wird durch die Unterbrechung des Infrarot-Signals deutlich spezifischer, ist dafür aber in ihrem Aufnahmebereich eingeschränkter.

Ein holografisch projeziertes Restaurantmenü

© HY-LINE

Eine sehr futuristisch anmutende Variante ist die holografische Eingabe. Hier wird diese Technik mit einem projizierten Hologramm, also einem holografischen „Touchscreen“, kombiniert. So können Bedienmenüs oder Inhalte vom eigentlichen (Touch-)Bildschirm „wegprojeziert“ und dennoch bedient werden.

Kameras und Software-Programme können nicht nur einen Finger oder die Hand tracken, sondern auch mehrere Finger, Gelenke und Bewegungen erkennen. Damit werden auch kompliziertere Gesten wie spezifische Handzeichen auswertbar.

Was Nutzern ohne Berührung fehlt, ist natürlich eine haptische Rückmeldung. Es gibt keine tastbaren Knöpfe, Erhebungen, Oberflächenbeschaffenheiten oder Impulse. Aber selbst daran wird gearbeitet: Die Firma Ultraleap zum Beispiel bewirbt eine ‚Virtual Touch Technology‘, die Gesten-Tracking und Ultraschall kombiniert, um Empfindungen auf der Hand des Benutzers zu erzeugen, die in Echtzeit auf Bewegungen reagieren.

Wichtig für die Nutzererfahrung ist, dass Gesten präzise erkannt und auf dem Bildschirm oder Bedienelement umgesetzt werden – und das möglichst schnell.

Anwendungsmöglichkeiten von kontaktloser Steuerung

Ein Mann und eine Frau vor einem großen Bildschirm, der mit seinen Händen gestikuliert

© Screenshot Video Ultraleap

Der Autohersteller und -händler ŠKODA ließ eine Digital-Out-Of-Home-Kampagne (DOOH) entwickeln, die im September 2020 während der Coronapandemie in mehreren englischen Shoppingmalls umgesetzt wurde. Mithilfe einer interaktiven Digital Signage-Kampagne mit berührungsloser Steuerung sollte ihre neue SUV-Modellreihe beworben werden. Mall-Besucher konnten vor einer digitalen Infostele mit einfachen Handgesten durch die multimedialen Inhalte navigieren und sich das SUV-Sortiment anschauen. Kirsten Stagg, Marketing Director bei ŠKODA, erklärt das Ziel der Aktion: „Wir wollten [die ŠKODA SUV-Reihe] in einer einfachen und selbstbewussten Ausführung zum Leben erwecken, die die einzigartigen Eigenschaften der Fahrzeuge durch eine innovative und vor allem sichere Ausführung präsentiert. Die berührungslose DOOH-Technologie ermöglichte es uns, dies im Einklang mit unserem Kommunikationskonzept in drei der belebtesten Einkaufszentren Großbritanniens umzusetzen.“

Ein Mann vor einem Bildschirm, der mit seinen Händen gestikuliert

© Intel Corporation

Auf der NRF 2020 präsentierte Intel „The Looking Glass 8K“, ihren Angaben zufolge das weltweit erste großformatige holografische 8K-Display, für das weder Virtual-Reality– noch Augmented-Reality-Headset erforderlich sind. Es ermöglicht Besuchergruppen, nahtlos – also ohne Zwischenmedium – mit echten 3D-Inhalten zu interagieren.

An einem Wochenende im Oktober 2020 ließ LEGO im Rahmen seiner „Rebuild the World“-Kampagne kleine (und große) LEGO-Spieler kontaktlos, mit den eigenen Händen virtuelle LEGO-Modelle bauen. Nutzer konnten virtuelle Spielsteine bewegen, rotieren und aufeinandersetzen. Die Interaktionen wurden auf eine digitale Werbefläche am Westfield Stratford City-Shopping Center in London übertragen. Die Erfahrung wurde durch multi-sensorische Features ergänzt. Die User konnten die Konturen der Steine und anderer Teile ertasten. Auch Soundeffekte wurden eingefügt.

Grundsätzlich sind viele Anwendungsszenarien im Einzelhandel vorstellbar. Digitale Screens, Tablet-PCs, (Verkaufs-)Automaten, Self-Service-Stationen, selbst Tastenfelder ließen sich komplett kontaktlos bedienen.

Mit diesem Feature lassen sich viele Zwecke umsetzen. Konsumenten können selbstständig digital Artikel und Produktinformationen durchstöbern. Im Bereich Marketing eröffnen sich viele Möglichkeiten zur Kundenaktivierung und Kundenbindung. Kleine Umfragen werden zu etwas Besonderem, mit einem Quiz oder einem Spiel könnten Kunden sich Gutscheine sichern und Werbeinhalte können interaktiv und dennoch kontaktlos erfahren werden. Und schließlich ziehen interaktive Erlebnisse, an denen Menschen im öffentlichen Raum teilhaben, verstärkt die Neugier von Passanten und Medien an.

Welche Vorteile hat eine berührungsfreie Steuerung?

Ein Mann vor einem Bildschirm aus der Vogelperspektive, dr mit seinen Händen gestikuliert

© Screenshot Video Ultraleap

  • Hygienisch

Durch die Coronapandemie rückte das Thema Hygiene auf öffentlichen Flächen in das Bewusstsein der Konsumenten. Berührungsfreie Anwendungen tragen dem Rechnung und erhöhen den Schutz vor Ansteckungen durch Oberflächenkontamination und Schmierinfektion.

  • Interaktiv

Interaktive Erlebnisse (natürlich auch nicht-berührungsfreie interaktive Anwendungen) stechen neben passiven Erlebnissen heraus, sie prägen sich ein, machen Spaß und erlauben ein selbstbestimmtes Browsen, Informieren und Shoppen.

  • Intuitiv

Eine gut gestaltete und einfach aufgebaute berührungsfreie Anwendung kann sehr intuitiv bedienbar sein. Tippen, Wischen und Klicken mit den Fingern kennen viele Nutzer von ihren Mobile Devices. In einigen Fällen kann es sich anbieten, die Geste als Cursor auf dem Screen abzubilden.

  • Wow-Faktor

Zwar kennt jeder Mensch Türen, die sich öffnen, wenn sich jemand nähert, dennoch ist eine berührungslose Bedienung von Terminals oder Bildschirmen für die meisten Menschen noch etwas ganz Besonderes, ein „Blick in die Zukunft“. Noch größer ist der Effekt, wenn Holografie und Haptik hinzukommen.

Eine Hand direkt vor einem Spiegel

© Screenshot Video Ultraleap

Was bei der Umsetzung zu beachten ist

Es gibt natürlich Early Adopter, technik-begeisterte und selbstbewusste Konsumenten, die auch in der Öffentlichkeit neugierig auf neue Features zugehen und diese ausprobieren. Wer auch alle anderen Konsumenten ansprechen will, sollte bei der Installation einige Dinge beachten:

  • Machen Sie mit Schildern schon von weit hin sichtbar, was hier geboten ist.
  • Testen Sie vorher ausgiebig, wie gut die Anwendung funktioniert, wo Probleme auftreten können und ob gewisse Umstände (Lichteinfall oder Hindernisse) die Anwendung behindern könnten.
  • Zeigen Sie optimalerweise ein sehr kurzes Video auf dem Screen, das die Benutzung erklärt.
  • Markieren Sie den Standort des Users – beispielsweise mit Aufklebern auf dem Boden – und das optimale Bewegungsfeld für die Hände, falls das technisch notwendig ist.
  • Stellen Sie sicher, dass in der ersten Phase gut geschulte Mitarbeiter für Kunden erreichbar sind, die helfen können oder Neugierige einweisen.
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